Ciller habe argumentiert, die Entscheidung Demirels, ihn mit der Regierungsbildung zu betrauen, sei „undemokratisch“, sagte Erez. Demirel habe „gegen das Parlament und den Volkswillen gehandelt“. Er hätte einen Parteivorsitzenden mit der Aufgabe beauftragen müssen.
Der designierte Ministerpräsident Erez sagte, er wolle bis nächste Woche eine Koalition des nationalen Friedens und des Kompromisses bilden. Er war vor dem Bruch der Koalition zwischen der inzwischen wegen Fundamentalismus verbotenen islamistischen Wohlfahrtspartei (RP) und Cillers konservativer Partei des Rechten Weges (DYP) im Juni 1997 aus der DYP ausgeschlossen worden. Zuvor gehörte er zu den engsten Beratern Cillers.
TAZ 30.12.1998
Türkei weiter ohne Regierung
Ciller erteilt Erez Absagen
Ankara (AFP) - Die frühere türkische Regierungschefin Tansu
Ciller hat dem designierten Ministerpräsidenten Yalim Erez bei einem
Sondierungsgespräch eine Abfuhr erteilt. Die Vorsitzende der konservativen
Partei des rechten Weges (DYP) habe sich kategorisch gegen den Eintritt
in ein Kabinett unter seiner Führung gewandt, sagte Erez gestern.
Der 54jährige parteilose Politiker drückte die Hoffnung aus,
die Ex-Regierungschefin werde ihre Meinung revidieren. Erez war als Listenkandidat
der DYP 1995 ins Parlament gewählt worden, hatte die Partei Cillers
aber wegen Unstimmigkeiten mit ihr verlassen.
Erez war am Mittwoch vergangener Woche von Staatspräsident Süleyman
Demirel mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Nach Gesprächen
mit den Vorsitzenden der islamischen Tugendpartei, der Mutterlandspartei
und der Demokratischen Linken (DSP) zeigte er sich zuversichtlich, eine
Koalitionsregierung auf die Beine stellen zu können.
bwn, 29. Dezember 1998
Erez will bis nächste Woche neue türkische Regierung vorstellen
(reuters/ess) Der designierte türkische Ministerpräsident
Yalim Erez will in der nächsten Woche die Bildung der neuen Regierung
abschliessen. Erez sagte heute Journalisten in Ankara, er werde Präsident
Süleyman Demirel voraussichtlich in der kommenden Woche eine Kabinettsliste
vorlegen. Für heute waren mehrere Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden
kleinerer Parteien im Parlament geplant.
Demirel hatte Erez vor einer Woche mit der Regierungsbildung beauftragt,
nachdem der Sozialdemokrat Bülent Ecevit damit gescheitert war.
Erez war am Montag unter anderem mit dem Vorsitzenden der islamistischen
Tugendpartei, Recai Kutan, und dem früheren Ministerpräsidenten
Mesut Yilmaz zusammengekommen. Im Anschluss an die Beratungen äusserte
sich Erez zufrieden, ohne Einzelheiten zum Inhalt der Unterredungen zu
nennen. Erez, der gegenwärtig als Industrie- und Handelsminister amtiert,
hatte am Montag erklärt, er wolle eine Regierung auf breiter Basis
bilden, an der auch die Tugendpartei teilnehmen könne. Er fügte
aber hinzu, dass die anderen Parteien eine Kooperation mit den Islamisten
wahrscheinlich ablehnen würden. Die Tugendpartei stellt die grösste
Fraktion im Parlament in Ankara.
Das Parlament hatte Yilmaz Ende November wegen einer Korruptionsaffäre
gestürzt. Die neue Regierung wird voraussichtlich nur bis zu den im
April geplanten vorgezogenen Parlamentswahlen im Amt bleiben. Präsident
Demirel lehnte es am Samstag ab, sofortige Wahlen anzuordnen, falls Erez
bis zum 10. Januar keine neue Regierung bilden sollte.