Die Presse, 29.09.2006

Osttürkei: "Ja, aber . . ." zu Ilisu-Staudamm

VON MICHAEL LOHMEYER

Wien fordert von Ankara Auflagen für VA-Tech-Kraftwerksprojekt.

WIEN. Der Beirat von Beamten und Vertretern der Sozialpartner im Finanzministerium hat am Donnerstag ein "Ja, aber . . ." zum umstrittenen Ilisu-Staudamm gesagt.

Damit gibt das Gremium noch keine definitive Empfehlung ab, dass die Kontrollbank eine Garantie für den 230 Mio.-Auftrag der VA Tech Hydro übernimmt. Durch dieses Projekt entstünde am Tigris ein Stausee von 135 km Länge. Das Planungsgebiet liegt mitten im Kurdengebiet der Türkei in Ostanatolien. Tausende Menschen würden umgesiedelt, historische Stätten überflutet.

Schon vor Sitzungsende des Beirats erklärte Thomas Wieser, Sektionschef im Finanzministerium: "Es beginnt ein intensiver Dialog mit den türkischen Partnern; am Ende wird man schauen." Nötig seien jedenfalls "bindende, glaubwürdige Zusagen, dass internationale Standards eingehalten werden". Der Sprecher von Finanzminister Grasser - bei ihm liegt die Letztentscheidung - erklärte, dass sich die "Türkei bisher als verlässlicher Partner" erwiesen habe, das Vorgehen aber auch mit Deutschland und der Schweiz akkordiert wird" - und bereits worden sei. Österreich hat die koordinierende Rolle. Nächste Woche würden die Auflagen den türkischen Projektbetreibern präsentiert. Dem Vernehmen nach üben diese auf das österreichisch-deutsche-schweizerische Konsortium Druck aus: Entscheidung bis Jahresende, oder chinesische Partner steigen ein.

Offiziell wird die Kontrollbank-Sitzung nicht kommentiert. Inoffiziell heißt es, "menschenrechtliche Bedenken" hätten zentrale Bedeutung. Ähnlich klingt das Statement eines Sprechers von Umweltminister Pröll: "Es gibt massive Bedenken gegen das Mega-Projekt", dem nur zuzustimmen sei, wenn "ökologische und menschenrechtliche Kriterien" eingehalten würden. Eben das hält Uli Eichelmann, Flussexperte des World Wide Fund for Nature (WWF), für unmöglich: "Das Projekt ist grundsätzlich katastrophal - die Auflagen sind eine Verzögerungstaktik."