Die Presse, 27.09.2006 Tigris-Kraftwerk: Wird der Geldhahn aufgedreht? Streit um österreichischen Exportkredit für umfehdetes türkisches Kraftwerksprojekt kurz vor Entscheidung. Wien. Die Auseinandersetzung um den Ilisu-Staudamm am Tigris im überwiegend kurdischen Osten der Türkei geht in Wien in die Endrunde: Donnerstag stimmt der Kontrollbank-Beirat im Finanzministerium ab, ob das Engagement österreichischer Firmen per Bankgarantie abgesichert wird. Der Auftrag der "VA Tech Hydro" macht 230 Mio. Euro aus. Vernichtende Kritik am Projekt kommt von Menschenrechts- und Umweltgruppen - nicht nur wegen der Absiedelung zehntausender Menschen aus Gebieten, die vom 135 km langen Stausee überflutet würden. "Es darf nicht sein, dass Österreich ein Projekt unterstützt, das im eigenen Land niemals verwirklicht werden könnte", sagt Ulrich Eichelmann, Fluss-Experte des WWF. Das Projekt widerspreche europäischen Standards. In Schwebe ist vor allem noch, wie sich der Vertreter des Umweltministeriums verhalten wird. Von Minister Pröll gibt es noch keine Festlegung. Sein Sprecher: "Wir prüfen noch - und sehr genau." Carl DeColle, in der Wirtschaftskammer spezialisiert auf Exportfinanzierung, ist für die Kreditgarantie. "Wichtig ist, zu ent-emotionalisieren. Es sind auch in dem Fall Auflagen nötig, die zu erfüllen sind." Und: "Die Türkei könnte das Projekt auch allein bauen." Die Mitglieder des Beirats (von Ministerien, Nationalbank, Sozialpartnern) hüllen sich zur breiten Kritik in- und außerhalb der Türkei in Schweigen: "Meine Meinung sage ich in der Sitzung, nicht vorher. Die Beratungen unterliegen der Verschwiegenheit", so Georg Kovarnik, ÖGB-Vertreter im Beirat. Walter Sauer, Mitarbeiter des Internationalen Sekretariats der Gewerkschaft, meint zum Projekt: "Aus internationaler Sicht ist es sehr problematisch."
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