Die Presse, 06.12.2006 PR-Krieg um türkischen Staudamm Ilisu. Bald informiert die Kontrollbank den Finanzminister, ob Österreich den Kraftwerksbau fördern soll. Betreiber und Gegner versuchen nun, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. WIEN (go). Demnächst fällt die Entscheidung, ob Österreich den Bau des Wasserkraftwerks im südosttürkischen Ilisu mit einer Exportgarantie von 240 Mio. Euro fördert. Vertreter der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB) und deren deutscher und schweizer Pendants hätten bei einem Treffen mit der staatlichen türkischen Wasserbaugesellschaft DSI vereinbart, dass die Türkei weitere Unterlagen liefern solle, sagte ein OeKB-Sprecher zur "Presse". Dabei gehe es um "Nachbesserungen" bei den Themen Umweltfolgen des Staudamms, Umsiedlung von rund 11.000 Menschen und Kulturgüterschutz. Wann die Kontrollbank ihre Prüfung abschließen und eine Empfehlung an den Finanzminister geben könne, sei noch nicht zu sagen. "Von der Prüfungsintensität her stellt Ilisu alles bisherige in den Schatten", meinte der Sprecher. Viel steht auf dem Spiel: Für den österreichischen Konsortialführer VA Tech Hydro ein halber Jahresumsatz; für die türkische Regierung der internationale Ruf sowie die Erfüllung des Versprechens, das bitterarme Ostanatolien zu modernisieren; und für die Umwelt- und Menschenrechts-Organisationen die Glaubwürdigkeit in einem Konflikt, der klassischen Mustern zivilgesellschaftlichen Widerstandes zu folgen scheint: Auf der einen Seite Industrie und eine ferne Zentralregierung - auf der anderen Seite bedrohte Ökosysteme, entrechtete Landbewohner, kostbare Kulturgüter. Und so ringen Betreiber und Gegner vor der Entscheidung des Finanzministers um die Gunst der öffentlichen Meinung. Einen Höhepunkt erreicht dieser PR-Krieg am Donnerstag. Während die Umweltorganisation WWF unter dem Titel "Tragödie am Tigris" die Bürgermeister von Batman und Diyarbakir in die Diplomatische Akademie bittet, lädt der türkische Botschafter keine 500 Meter Luftlinie entfernt "Pro-Stimmen aus der Region Südostanatolien" zu sich in die Prinz-Eugen-Straße. Was haben die beiden Bürgermeister eigentlich gegen den Staudamm? "Sie befürchten neue Flüchtlinge aus den überschwemmten Gebieten", sagt WWF-Aktivist Ulrich Eichelmann. Mitnichten, meint Botschafter Selim Yenel. Der Widerstand gegen das Kraftwerk habe "definitiv" mit der Kurdenfrage zu tun. "Je ärmer die Region bleibt, desto mehr Leute lassen sich für den Widerstand gegen die Regierung rekrutieren." Um 800 Mio. Dollar sollten 11.000 Personen umgesiedelt und weitere 32.000 Menschen finanziell entschädigt werden. Daran glaubt Eichelmann nicht: "Die Türkei hat schon bei vergangenen Umsiedlungen viel versprochen - aber nichts davon gehalten." Eine Einschätzung, die am Urteil von Kontrollbank und Finanzministerium wenig ändern wird: Die Vergabe der Garantie gilt - trotz Verzögerungen - als sicher. |