junge Welt, 12.12.2006 BRD als Sponsor für Vertreibung Bundesregierung will Bau des Ilisu-Staudamms in der Türkei mit Hermes-Bürgschaften absichern. 55000 Menschen müssen wegziehen. Irak fürchtet Wassermangel Von Nick Brauns Die Bundesregierung ist offenbar bereit, den Bau eines umstrittenen Großstaudamms in der Osttürkei mit Hermes-Bürgschaften abzusichern. Wie erst jetzt bekannt wurde, traf der Interministerielle Ausschuß für Exportkreditgarantien bereits vor einer Woche hinter verschlossenen Türen eine Grundsatzzusage zur finanziellen Absicherung des Ilisu-Staudamms, der im kurdischen Südosten der Türkei den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen soll. Der im deutsch-österreichisch-schweizerischen Ilisu-Konsortium vertretene Stuttgarter Baukonzern Ed. Züblin hatte hierfür Hermes-Bürgschaften in Höhe von 200 Millionen Euro beantragt, die der Bund nun zur Hälfte übernehmen will. Entsprechende Zusagen der österreichischen und Schweizer Regierung stehen noch aus, gelten aber vor dem Hintergrund der deutschen Entscheidung als wahrscheinlich. Die Zusage erfolgte trotz jahrelanger Proteste von Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen sowie der Bürgermeister der betroffenen Gemeinden. Durch den 300 Quadratkilometer großen Stausee am Oberlauf des Tigris würden rund 55000 Menschen gegen minimale Entschädigungsleistungen vertrieben: 95 Dörfer und die historische, über 9000 Jahre alte Stadt Hasankeyf, in der Antike neben Babylon die zweite Hauptstadt Mesopotamiens, würden in den Fluten verschwinden. Umweltschutzorganisationen befürchten zudem die Zerstörung der Lebensgrundlagen vieler Tierarten. Der Damm gäbe der Türkei die Möglichkeit, den Nachbarländern Syrien und Irak das Wasser abzudrehen und sie so politisch unter Druck zu setzten. In einem Brief an die Exporthaftungsagenturen von Österreich, Schweiz und BRD hat der irakische Wasserminister Latif Rashid die »extreme Besorgnis der irakischen Regierung« über die Auswirkungen des Staudammbaus ausgedrückt. Der Irak sei von der Türkei in Sachen Ilisu-Staudamm nicht konsultiert worden, heißt es in dem Schreiben. Vom österreichischen Finanzministerium war die Nichtschädigung von Anrainerstaaten und Konsultationen der Nachbarn zur Voraussetzung für eine Exporthaftung erklärt worden. Nach Angaben der Wiener Zeitung Der Standard hatten auch die deutsche und die Schweizer Regierung eine Exporthaftung für das Projekt von der Einhaltung internationaler Gepflogenheiten abhängig gemacht. Nun behauptet die Bundesregierung in einer Ende vergangener Woche veröffentlichten Presseerklärung, in den umstrittenen Punkten seien in Verhandlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz mit der türkischen Regierung Lösungen gefunden worden. Genaue Angaben über die vereinbarten Auflagen halten die beteiligten Regierungen jedoch weiter geheim. »Die jetzt erteilte verbindliche Grundsatzzusage ist ein völlig falsches politisches Signal an eine Regierung, die ihre Bereitschaft, internationale Standards einzuhalten, erst noch unter Beweis stellen muß und jeden Dialog mit den betroffenen Menschen und Kommunen verweigert«, kritisierte Ercan Ayboga von der Initiative zur Rettung Hasankeyfs. Am Mittwoch findet vor der
Zentrale der Hermes-Euler-Kreditversicherungs-AG in Hamburg-Bahrenfeld
eine Kundgebung statt. Dabei sollen ein Protestschreiben und ein Fragenkatalog
zum Staudamm überreicht werden.
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