Neue Zürcher Zeitung, 16.12.2006 Bedingte Zustimmung zu Ilisu-Staudamm Bundesrat gewährt Exportrisikogarantie unter Auflagen Nur mit einem positiven Signal könne die Schweiz sicherstellen, dass beim Bau des türkischen Ilisu-Staudammes Weltbank-Standards genügend berücksichtigt werden: Der Bundesrat hat deshalb den beteiligten Schweizer Firmen Exportrisikogarantien unter Auflagen zugesagt. dgy. Bern, 15. Dezember Darüber, ob die Schweiz den Bau des umstrittenen Ilisu-Staudammes in der Südtürkei unterstützen soll, wird seit Jahren gestritten. Nun hat der Bundesrat den Schweizer Firmen Alstom, Colenco, Maggia und Stucky an seiner Sitzung vom Freitag bedingte Exportrisikogarantien in Höhe von 225 Millionen Franken für ihre Lieferungen und Ingenieurleistungen zugesagt. Die definitive Zusicherung will der Bundesrat aber erst erteilen, wenn verschiedene Auflagen in Bezug auf den Umweltschutz, die Umsiedlung, den Kulturgüterschutz und die Anrainerstaaten erfüllt sind, wie Bundesrätin Doris Leuthard, Vorsteherin des Volkswirtschaftsdepartementes, nach der Bundesratssitzung erläuterte. Und auch nach den endgültigen Zusagen müssten zahlreiche weitere Auflagen erfüllt werden. Schutz der Bevölkerung wird gewahrt Es seien insgesamt über 90 flankierende Massnahmen vereinbart worden, von denen 23 zufriedenstellend erfüllt sein müssen. Im Vergleich zu 1998, als sich der Bundesrat ein erstes Mal grundsätzlich für die Gewährung der Exportrisikogarantie aussprach, seien damit wesentlich strengere Auflagen verbunden. Als Beispiele für die Massnahmen, die zufriedenstellend erfüllt sein müssen, bevor Garantien endgültig erteilt werden, nannte Leuthard Vorkehrungen zur Wiederherstellung der Lebensgrundlagen der umzusiedelnden Bevölkerung oder Pläne und Konzepte für eine bessere Versorgung der Bevölkerung in den Bereichen Strom, Ausbildung und Infrastruktur. Verlangt wird auch ein Nachweis für das Vorliegen von gesetzlichen Grundlagen für den Erhalt von Kulturgütern. Eine unabhängige Expertenkommission werde die Massnahmen begleiten und überwachen. Mit der Gewährung der Exportrisikogarantie wollten die Schweiz, Österreich und Deutschland sicherstellen, dass die Vorgaben der Weltbank erfüllt werden, sagte Leuthard. Die umfangreichen Vorarbeiten seien mit den beiden Ländern eng koordiniert worden. Eines sei sicher: Ilisu werde gebaut, sagte Leuthard. Eine ablehnende Haltung der Schweiz würde nur dazu führen, dass andere Länder in die Bresche springen würden, womit die Einhaltung der Weltbank-Standards nicht mehr in gleichem Mass garantiert werden könnte. Leuthard wies darauf hin, dass die Türkei ihr Energieproblem mit Wasserkraft löse, einer ökologischen und nachhaltigen Form der Stromerzeugung. Für die betroffenen Menschen seien überdies die bestmöglichen Schutzmassnahmen erreicht worden. Mit dem Entscheid des Bundesrates würden aber auch die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz und der Türkei gewahrt, sagte Bundesrätin Leuthard. Es sei ein Schritt zum weiteren Aufbau der Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder. Ziel sei aber auch die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der Schweiz. Die direkte Beschäftigungswirkung infolge der Beteiligung von Schweizer Firmen am Ilisu-Projekt bezifferte Leuthard auf rund 390 Personenjahre. Für die betroffenen Firmen bedeute der Auftrag eine Stärkung ihrer Position als weltweit führende Unternehmen im Bereich des Baus von Wasserkraftwerken. Enttäuschung bei Kritikern Durch den Staudamm werden rund 80 Ortschaften im Wasser versinken, und 55 000 Personen müssen umgesiedelt werden. Seit Jahren kämpfen deshalb verschiedene Nichtregierungsorganisationen gegen die Gewährung der Exportrisikogarantie. Die Erklärung von Bern und Alliance Sud bedauerten deshalb den Entscheid des Bundesrates. Die Türkei habe noch nicht bewiesen, dass sie willens sei, die Auflagen zum Erreichen der Weltbank-Standards zu erfüllen, sagte eine Sprecherin der Erklärung von Bern gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Der Industriekonzern Alstom
reagierte dagegen erfreut darüber, dass die Bedeutung der Lieferung und
der Ingenieurleistungen für die Schweizer Industrie berücksichtigt und
gewürdigt worden sei.
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