Tagblatt, 08.03.2007
Die türkische Regierung hat Vorwürfe der Vergiftung des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan als erstunken und erlogen zurückgewiesen. Sie ordnete aber gleichwohl Ermittlungen an. Öcalans Anwälte hatten die Vorwürfe erhoben. Jan Keetman/Istanbul Auf die seit einigen
Tagen kursierende Verdächtigung, der gefangene PKK-Führer Abdullah Öcalan
werde langsam vergiftet, hat der türkische Justizminister Cemil Cicek
damit reagiert, dass er eine vierköpfige Ärztekommission mit einer Untersuchung
beauftragt. Er überging auf diese Weise zugleich die Forderung nach einer
unabhängigen Kommission. Nach Ansicht Ciceks handelt es sich bei dem von den Anwälten Öcalans erhobenen Vorwurf um eine «internationale Lüge». Nachdem der Europarat das Thema der Wiederaufnahme des Prozesses gegen Öcalan von der Tagesordnung genommen hatte, werde nun auf anderem Wege versucht, den Fall Öcalan wieder auf die Traktandenliste zu bringen. Öcalan hatte von 1984
bis zu seiner Verhaftung und Entführung aus Kenia 1999 einen Guerillakrieg
der Kurden geführt, in dem etwa 37 000 Menschen getötet wurden. Öcalan
wurde in der Türkei wegen Hochverrat zum Tode verurteilt. Mit der Abschaffung
der Todesstrafe 2002 wurde das Urteil in eine lebenslange Freiheitsstrafe
ohne Aussicht auf Begnadigung umgewandelt. Öcalan sitzt als einziger Häftling
auf der schwer bewachten Gefangeneninsel Imrali im Marmarameer. Nach Angaben seiner Anwälte hat sich Öcalans Gesundheitszustand während der Haft verschlechtert. Sie präsentierten schliesslich Haarproben, in denen erhöhte Werte von Chrom und stark erhöhte Werte von Strontium gefunden wurden. Die Proben, die seine Anwälte aus dem Gefängnis geschmuggelt hatten, waren sehr klein. Die gefundenen Stoffe sind in der Natur nicht selten und sie sind nur schwach giftig. Letzteres vorausgesetzt, dass im Strontium keine radioaktiven Isotope angereichert waren. Die vorgenommene Analyse bezog sich nicht auf die Möglichkeit einer radioaktiven Vergiftung. Es ist aber zunächst auch nicht auszuschliessen, dass Anhänger Öcalans falsche Haarproben ablieferten, in der Hoffnung, den Fall Öcalan auf diese Weise wieder auf die internationale Tagesordnung zu bekommen. Ein früherer Kommandant der Gefängnisinsel sagte sodann der Zeitung «Sabah», die als Aufseher eingesetzten Soldaten bekämen dasselbe Essen wie der Gefangene.
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