rbb online, 15.05.2007
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Hasankeyf versinkt im Stausee

Die Weltbank wollte es nicht, Großbritannien lehnte ab, aber Deutschland macht es möglich - den Bau Ilisu-Staudamms in der Türkei. Er kann jetzt beginnen. Die Bundesregierung hat Kreditgarantien zugesichert, rund 200 Millionen Euro aus deutschen Steuergeldern. 55 000 Menschen müssen umgesiedelt werden, eine jahrtausende alte Kulturstätte wird zerstört, und die Umwelt geschädigt. Aber nicht nur das. Nach Ansicht von Experten schürt das Projekt den Wasserkonflikt im Nahen Osten und verstößt gegen das Völkerrecht. Die Anrainer Irak und Syrien seien vorab nicht umfassend informiert, wichtige Details nicht verhandelt worden.

Hasankeyf ist mehr als 3.000 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt – dazwischen liegen Welten. Die Bundesregierung in Berlin hat es mit entschieden: Hasankeyf, den über 10 000 Jahre alten Ort am Tigris soll es bald nicht mehr geben. Er soll versinken in einem gigantischen Stausee. Der geplante Staudamm ist ein Megaprojekt der türkischen Regierung zur Bewässerung und Stromgewinnung, Kosten, rund zwei Milliarden Euro. Mit dem Projekt könne die Türkei Syrien und dem Irak den Wasserhahn abdrehen, fürchtet Heike Drillisch von der globalisierungskritischen Organisation Weed. Es ist die Sorge, die Türkei könne Wasser eines Tages als Waffe nutzen und mit dem Damm den Wasserfluss in die Nachbarstaaten, Irak und Syrien kontrollieren. „Die türkische Regierung erhält ein Machtpotential, um diesen Fluss als Machtmittel zu nutzen“, warnt Heike Drillisch.

Um das Ilisu Staudammprojekt hat es jahrelang Streit gegeben. Bereits im Jahr 2000 sollte der Damm gebaut werden, auch damals schon mit deutscher Beteiligung. Proteste im In- und Ausland konnten das Projekt jedoch stoppen. Die Weltbank und ein britisches Bankenkonsortium zogen sich zurück. Es gab wirtschaftliche, ökologische und soziale Bedenken. Die Türkei alleine kann den Damm nicht bauen, sie ist auf die Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Jetzt soll ein Konsortium aus Deutschland, Österreich und der Schweiz das ehrgeizige Projekt umsetzen, mit beteiligt ist die deutsche Firma Züblin. Ende März hat die Bundesregierung nun entschieden: Mit rund 200 Millionen Euro aus Steuergeldern sollen die Exporte des deutschen Unternehmens abgesichert werden. Bedingung sei das Einverständnis der Nachbarstaaten, Irak und Syrien gewesen, sagt die deutsche Bundesregierung.

„Irak und Syrien wurden von der Türkei umfassend über das Staudammprojekt informiert und konsultiert“, heißt es in der Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums. Das Ilisu-Vorhaben sei allein im letzten Jahr mehrfach Gegenstand von Gesprächen der Türkei mit den Nachbarstaaten gewesen, teilt das Wirtschaftministerium auf Anfrage mit.

Doch der irakische Wasserminister Latif Rashid widerspricht: „Wir sind nicht umfassend über Ilisu konsultiert worden und wir haben den Betriebsabläufen für den Damm nicht zugestimmt“, sagt er in einem Interview mit britischen Umweltschützern.

Nach Recherchen des Rundfunks Berlin Brandenburg (RBB) hat es am 22. März 2007 ein erstes Gespräch auf Ministerebene der Türkei mit den Anrainerstaaten Syrien und Irak gegeben. Im Rahmen dieses Treffens wurde festgelegt, dass ab Juli 2007 die technischen Daten des Projektes verhandeln werden sollen. Das sei ein Treffen zur Verabredung von Verhandlungen gewesen, sagt Heike Drillisch von Weed. Es sei beispielsweise noch nicht darüber verhandelt worden, wie viel Wasser mindestens den Staudamm passieren müsste, damit der Irak nicht unter Wassermangel leide. Ein zentraler Punkt, der für die Zustimmung des Irak zu dem Projekt entscheidend ist.

Die Entscheidung der Bundesregierung sei ein Verstoß gegen das Völkerrecht, sagt Heike Drillisch. Laut UN-Konvention müssten für den Bau des Staudamms die Anrainerstaaten vorab informiert und konsultiert werden. Dass dies nicht geschehen sei, kritisiert auch die Grüne Bundestagsabgeordnete Ute Koczy: „Die Zusage der Bundesregierung basiert auf voreiligen Schlüssen. Sie hat sich jetzt ein außenpolitisches Problem ans Bein gebunden“, sagt sie.

Die Gegner des Projektes kritisieren das undurchsichtige Verfahren. In Deutschland werde bei jedem Bach genauer hingeschaut, sagen sie. Aber Hasankeyf ist eben mehr als 3000 Kilometer Luftlinie von Berlin entfernt. Und dazwischen liegen Welten.