APA (Austrian Press Agency), 13.06.2007 Türkei will Bedingungen bei Ilisu-Staudamm verwässern, OeKB sagt nein Scholten: Verhandlungspartner derzeit "ziemlich weit entfernt" - Kreditvergabe Instrument um "Fehlentwicklungen verhindern" Wien (APA) - Die Türkei versucht die gestellten Bedingungen für ihr letztes großen Staudamm-Vorhaben in Südostanatolien, Ilisu, zu verwässern. Konkret geht es um eine vorzeitige Fälligstellung der europäischen Exportkredite, sollte die Türkei die Projektauflagen nicht einhalten. Rudolf Scholten, Vorstand der Österreichischen Kontrollbank (OeKB) und Exportversicherer für die heimischen, am Projekt beteiligten Firmen, erklärte Dienstag Abend dazu in Wien: "Es gibt keinen Spielraum nach unten". Derzeit stünden die Verhandlungspartner "ziemlich weit entfernt", sagte Scholten. Kürzlich hieß es von Seiten der OeKB dazu, es handle sich nur um zu klärende technische Details. Scholtens Einschätzung nach könnte das Beharren auf türkischer Seite und der mangelnde Fortschritt bei den Verhandlungen im Zusammenhang mit den kommenden türkischen Parlamentswahlen stehen. Die Türkei hat nach dem Debakel um die Wahl des Staatspräsidenten vorzeitige Neuwahlen anberaumt. Diese werden nun am 22. Juli abgehalten. Europäische Standards bei Großbaustellen wie dem projektierten Tigris-Damm eins zu eins umzusetzen ist nach Ansicht Scholtens dennoch nicht möglich, vor allem im Hinblick auf in Österreich herrschende Arbeitnehmerrechte. "Damit würden fast 100 Prozent der Exporte wegfallen", betonte der Vorstand der österreichischen Exportkreditagentur OeKB. Das hieße, den Außenhandel einzustellen. Aber es seien "verbindliche Standards für Exportkredite notwendig". Scholten warnte vor einer "Privatisierung von Exportrisiken", wie sie bereits in den USA gang und gäbe seien. Die Exportkreditversicherung sei "kein Steuerungsartikel, um etwas zu erreichen" oder um "positives Verhalten" zu indizieren. Aber man könne mit ihr "Fehlentwicklungen verhindern", zeigte sich der OeKB-Vorstand überzeugt. Die Verhandlungspartner beim umstrittenen Ilisu-Staudamm-Projekt sind die Türkei gemeinsam mit dem türkischen Bauherrn, der staatlichen Wasserbaugesellschaft DSI, sowie die Exportkreditagenturen der Länder Österreich, Schweiz und Deutschland. Alle drei Versicherer haben bereits grünes Licht für das letzte große GAP-Entwicklungsprojekt in Südostanatolien gegeben - unter Einhaltung der gestellten Bedingungen hinsichtlich Umwelt, Bevölkerung und Kulturgüter. Durch die Größe und Dimension des geplanten Tigris-Staudamms und seines Kraftwerks mit einer Kapazität von 1.200 Megawatt sind von den Europäischen Versicherungsagenturen rund 130 Auflagen formuliert worden, die zum Teil vor Baubeginn, zum Großteil im Zuge der Errichtung umgesetzt werden müssen. Vor allem die Umsiedlung Tausender direkt Betroffener - die Zahlen variieren zwischen 11.000 und 80.000, kann sich nach Ansicht von Kritikern und politischen Verantwortlichen wie den Bürgermeistern der nahen Städte Batman und Diyarbakir zu einer sozialen Katastrophe für die Region entwickeln. Die 11.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf, die großteils in den Fluten des Stausees verschwinden soll, ist mittlerweile von der Organisation World Monuments Fund (WMF) in die Liste der 100 meistgefährdeten Kulturstätten aufgenommen worden. Auch die verschärften
Auseinandersetzungen des türkischen Militärs mit den kurdischen Rebellen,
der PKK, im Grenzgebiet zum Nordirak, tragen nicht zur Entspannung in
der Region bei und verstärken das Misstrauen der überwiegend kurdischen
Bevölkerung gegen das Projekt und seine Versprechungen. APA0185 2007-06-13/11:16
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