Tages-Anzeiger Online, 16.06.2007 Der Türkei-Kredit ist plötzlich zu riskant Die Zürcher Kantonalbank will den Ilisu-Staudamm nun doch nicht unterstützen. Das bestärkt die Kritiker darin, den Druck auf die anderen am Projekt beteiligten Banken zu erhöhen. Von Annetta Bundi, Bern Die Zürcher Kantonalbank hat nach sorgfältigen Abklärungen entschieden, auf ein Engagement für den Ilisu-Staudamm in der Türkei zu verzichten - und die im Dezember erteilte Kreditzusage zurückzuziehen. Das hat die Bank bestätigt. Der Beschluss ist am Donnerstag vom Präsidium gefällt worden. Der Rückzieher kommt nicht ganz überraschend: Als das Engagement der Bank Ende März publik wurde, erklärte sie zwar noch, am Kredit festzuhalten, da sie sonst ihre Glaubwürdigkeit als verlässliche Partnerin der Schweizer Exportindustrie verliere. Angesichts der harschen Kritik, die sie in der Folge einstecken musste, war allerdings klar, dass sie den Kreditentscheid überprüfen musste. Über die Gründe für den Sinneswandel schweigt sich die Bank aus. Vermutlich hat sie vor allem weitere Reputationsschäden verhindern wollen. Schliesslich handelt es sich beim Ilisu-Staudamm um ein höchst umstrittenes Projekt. Um es zu realisieren, müssen allein in der historischen Stadt Hasankeyf 11 000 Menschen ihre Häuser verlassen. Weitere 40 000 verlieren durch die Fluten ihre Felder und ihre Existenz in der Landwirtschaft. Zudem drohen Konflikte mit Syrien und dem Irak, die auf das Wasser des Tigris angewiesen sind. Finanzierung noch nicht gesichert Die Bank hat nun offenbar gemerkt, daß dieses Projekt ihren Geschäftsprinzipien widerspricht. «Das freut mich sehr», sagt Richard Gerster, der im Nachhaltigkeitsbeirat des Finanzinstituts sitzt. Erleichtert reagiert auch Christine Eberlein von der Erklärung von Bern, die sich seit Monaten gegen den Bau des Ilisu-Staudamms wehrt - und die Zürcher Kantonalbank unter Druck gesetzt hat: «Zu solchen Projekten darf eine Staatsbank nicht Hand bieten.» Jetzt hoffen die Kritiker, weitere Banken zum Einlenken zu bringen. Gemäss gut unterrichteten Quellen sind neun Institute in die Finanzierung involviert - unter anderem die Bank Austria, die Société Générale sowie zwei türkische Banken. Ob diese den Kredit übernehmen werden, den die Zürcher Kantonalbank zugesichert hatte, oder ob das Konsortium dafür ein neues Geldhaus finden muss, ist offen. Dazu wollte sich gestern niemand äussern. Das Staudamm-Projekt befindet sich in einer delikaten Phase. Denn jetzt geht es darum, die von den staatlichen Exportrisikoagenturen gemachten Auflagen abzusichern. Das ist alles andere als einfach: Die Türkei stört sich an der Klausel, wonach Deutschland, Österreich und die Schweiz die Rückzahlung der im Dezember bewilligten Exportrisikogarantien fordern können, wenn Auflagen missachtet werden. Das gefährde das Projekt, moniert die Türkei. Wenn ein Land auf eine Rückzahlung poche, folgten alle diesem Beispiel. Konsortium bangt um Aufträge Angesichts dieser Diskussionen ist klar: Der Entscheid der Kantonalbank kommt für das Baukonsortium im dümmsten Moment. Mit jeder Debatte und mit jedem Rückzieher steigt die Gefahr, am Schluss mit leeren Händen dazustehen - oder den Staudamm nur mit hohen Zusatzkosten realisieren zu können. Das haben die Kritiker des Projekts natürlich auch gemerkt. Ihr Ziel ist, als Nächstes die Bank Austria zum Ausstieg zu bewegen. Ob ihnen das gelingt, ist offen. Das Konsortium hofft, alle Kreditverträge bis Ende Juni unter Dach und Fach zu haben, damit die Bagger möglichst rasch auffahren können. |