Frankfurter
Rundschau, 14.03.2008
Proteste gegen
türkischen Damm
Experten vermissen
Umsetzung der ökologisch-sozialen Auflagen
Mit einem internationalen
Aktionstag "gegen Dämme, für Flüsse, Wasser und Leben" protestieren
heute zahlreiche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen weltweit gegen
den Missbrauch der Wasserkraft. Insbesondere fordern die Initiativen den
Stopp des türkischen Ilisu-Staudamms.
In Deutschland sind Bundesregierung, Deka-Bank und die Baufirma Züblin
Zielscheibe des Protestes. 68 Organisationen aus dem In- und Ausland verlangen
ihren Rückzug aus dem Projekt. In Berlin findet eine Mahnwache vor dem
Kanzleramt statt, in Frankfurt Proteste vor der Deka-Bank-Zentrale und
in Stuttgart vor dem Sitz Züblins. Weitere Aktionen laufen in Frankreich
und Italien.
Der Ilisu-Staudamm steht seit Jahren wegen seiner massiven ökologischen,
sozialen und kulturellen Auswirkungen in der Kritik. Die Bundesregierung
rechtfertigt ihre Bürgschaftsübernahme für die deutschen Zulieferer damit,
dass sie Auflagen erteilt habe, die das Projekt verbessern sollen. Ein
gerade veröffentlichter Bericht von Experten, die im Auftrag der Bundesregierung
die Umsetzung der Auflagen überprüft haben, bestätigt jedoch, dass alle
Bedenken gegenüber Ilisu berechtigt sind. "Der Bericht zeigt, dass
die bisherigen Bemühungen, das Projekt auf internationale Standards anzuheben,
komplett gescheitert sind. Seit der Bürgschaftsbewilligung wurde keine
der vereinbarten Auflagen umgesetzt", erklärt Regine Richter, Energieexpertin
bei der Umweltorganisation Urgewald.
Die Experten bemängeln auch, dass die Auflagen vielen türkischen Verantwortlichen
unbekannt seien. Allein für die Umsiedlung müssten zudem 200 Personen
als Organisatoren und Kontrolleure angestellt werden, doch passiert sei
bislang nichts.
Pläne für die Schaffung eines touristischen Zentrums mit den aus dem Staudammgebiet
versetzten, historischen Monumenten seien unrealistisch, erklären die
Experten. "Die Bundesregierung muss daher akzeptieren, dass internationale
Standards nicht erreicht werden können, und ihre Bürgschaft zurückziehen",
fordert Ann-Kathrin Schneider von der Organisation International Rivers.
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