Der Standard, 14.03.2008 Schlechte Noten für Ilisu-Staudamm Internationale Expertengruppe: Baubeginn müsse "zumindest um mehrere Jahre" verschoben werden - Kritik an Umsiedlung, Ökologie und Kultur Wien - Eine internationale Expertengruppe stelle dem Projekt zum Bau eines Kraftwerkes im südosttürkischen Ilisu "ein vernichtendes Urteil" aus. Es widerspreche internationalen Standards und sei sogar schlechter als Staudämme im China, schreiben die Umweltorganisationen Eca-Watch, Global 2000 und WWF Österreich in einer gemeinsamen Aussendung am Freitag. Zu Jahresende 2007 habe die Türkei von 35 Auflagen nur fünf erfüllt, zu vier habe es keine Informationen gegeben. Nach Meinung der Experten müsse der Baubeginn "zumindest um mehrere Jahre verschoben werden". Eine laufende Verbesserung des Projektes während des Baus habe auch bei einem Damm in Indien (Namada Dam) nicht funktioniert und entspreche nicht den Weltbankstandards. Bis Ende 2007 seien nur wenige Aktivitäten gestartet worden - vor allem die Enteignungen, schreiben die Umweltorganisationen unter Berufung auf die Expertenberichte. Umsiedlungen Die Türkei habe nicht einmal vorlegen können, wie viele Menschen tatsächlich vom Staudamm betroffen wären. Laut Experten dürften es aber deutlich mehr sein, als bisher angenommen. Ihren Schätzungen nach könnten es bis zu 65.000 sein, bisher seien man von maximal 55.000 ausgegangen. Nach wie vor sei unbekannt, welche ökologischen Auswirkungen der Bau von Ilisu hätte und welche Kulturgüter genau betroffen seien. Laut Bericht müssten allein für den Bereich "Umsiedlung" 200 bis 250 Personen mindestens zwei Jahre arbeiten (also etwa "500 Arbeitsjahre"), bevor es zum Baubeginn kommen könne. Die Experten verwiesen in diesem Zusammenhang auf ein chinesisches Staudammprojekt ähnlicher Größe, bei dem sogar noch mehr Fachkräfte (700 bsi 800 Arbeitsjahre) in der Vorbereitung beteiligt gewesen seien noch bevor es der Weltbank zur Entscheidung vorgelegt wurde, so die Umweltorganisationen. NGOs fordern Stopp des Projekts "Nach dem Bericht muss auch dem letzten klar sein, dass Ilisu ein katastrophales Projekt ist und keine Chance hat, internationale Standards zu erreichen. Österreich muss umgehend von der Ausstiegsklausel im Vertrag Gebrauch machen und aus dem Projekt aussteigen", fordert Ulrich Eichelmann von ECA-Watch und Leiter der Kampagne "Stopp Ilisu!". Für das Projekt haben die Oesterreichische Kontrollbank sowie die Exportkreditagenturen aus Deutschland, und der Schweiz eine Haftung übernommen. Laut Aussendung kritisieren die Experten auch, dass die Zusage an die Türkei erteilt worden sei, ohne dass ein Umsiedlungsplan vorlag. Dies entspreche nicht den Weltbankstandards. Die Zusage war vertraglich an 153 Auflagen gebunden, die die Türkei erfüllen muss. Werden die Auflagen nicht erfüllt, können die Haftungsgarantien gekündigt werden. Dann müssen auch die Banken wie die Bank Austria oder die deutsche DEKA Bank ihre Kreditzusagen zurücknehmen. (APA) |