umweltruf.de, 14.03.2008 europaticker Experten belegen: Projekt entspricht nicht internationalem Standard Ilisu-Staudamm schlechter als chinesische Projekte Der aktuelle Bericht der internationalen
Expertengruppe an die Österreichische Kontrollbank (ÖKB) sowie deren Pendants
in Deutschland und der Schweiz, stellt dem Ilisu-Projekt ein vernichtendes
Urteil aus: Das Projekt widerspricht internationalen Standards und ist
sogar schlechter als Staudämme in China. Die Türkei verstößt gegen fast
alle Auflagen, die sie vertraglich bis Ende 2007 zu erfüllen hatte. Nach
Meinung der Experten muss der Baubeginn zumindest um mehrere Jahre verschoben
werden. Kritisiert werden aber auch der eigene Auftraggeber: Die Exportkreditagenturen (ECA´s) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hatten im März 2007 entgegen weltweiten Protesten die Haftung für das Ilisu-Projekt übernommen. Die Zusage war vertraglich an 153 Auflagen, den so genannten Terms of References (TOR´s), gebunden, die die Türkei erfüllen muss. Überprüft wird die Einhaltung der Auflagen durch das ,Committee of Experts (CoE), einem Expertengremium bestehend aus 15 Personen aus den Bereichen Umsiedlung, Ökologie und Kultur. Dieses Personen wurden von den ECA´s und der Türkei ausgewählt. Werden die Auflagen nicht erfüllt, können die ECA´s die Haftungsgarantien kündigen. Dann müssen auch die Banken wie die Bank Austria oder die deutsche DEKA Bank ihre Kreditzusagen zurücknehmen. Im Dezember 2007 überprüfte das Expertengremium im Auftrag der ECA`s vor Ort wie es um die Vorbereitungen des Projekts und um die Erfüllung der Auflagen bestellt ist. Auf 264 Seiten hagelt es Kritik, wie sie in dieser Deutlichkeit selten ist: Keine der wichtigen Auflagen wurde erfüllt, das Projekt ist schlechter als vergleichbare Projekte in China, die zuständigen Personen in der Türkei kennen die Weltbankstandards nicht einmal und die Planungen, Ressourcen und das veranschlagte Budget sind bei weitem nicht ausreichend, um in Zukunft internationale Standards zu erreichen. „Die Zeit des Herumtaktierens ist vorbei“, sagt Dr. Klaus Kastenhofer, Geschäftsführer der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000. „Wenn Finanzminister Molterer und ÖKB Chef Scholten jetzt nicht auf ihre eigenen Experten hören und das Projekt aufkündigen verlieren sie jegliche Glaubwürdigkeit“. Umsiedlung Die Türkei konnte nicht einmal vorlegen, wie viel Menschen tatsächlich vom Staudamm betroffen wären. Laut Experten dürften es aber deutlich mehr sein, als bisher angenommen. Ihren Schätzungen nach könnten es bis zu 65.000 sein, bisher waren die ECA´s von maximal 55.000 ausgegangen. Entgegen den Vorgaben und ohne Wissen der ECA´s begann die Türkei im Herbst 2007 mit Enteignungen. Allein in zwei Ortschaften (Ilisu und Kartalkaya) sind 449 Gerichtsverfahren anhängig („Resettlement“ Seite 63). Ilisu schlechter als Projekt
in China Heftige Kritik üben die Experten auch an den europäischen Staaten, weil diese der Türkei eine Zusage erteilt haben, ohne dass ein Umsiedlungsplan vorlag. Dies entspreche nicht den Weltbankstandards. Von einem „rolling plan“, bei dem die Planungen während des Baus erstellt werden, raten die Experten ausdrücklich ab. Ein „rolling plan“ hatte die Weltbank einst beim Namada Dam in Indien akzeptiert, was zu einem der größten Debakel der Weltbank wurde. (Resettlement, S. 101: „Lessons learned from the Narmada Dam´s Experience“, S. 102: „No `rolling plans´were subsequently accepted by the World Bank“). Umwelt Kultur „Dieser Bericht bestätigt die Positionen der Umwelt- und Menschrechtsorganisationen in allen Punkten. Die Aussagen der Kontrollbank in den vergangenen Tagen lassen allerdings befürchten, dass sie nach wie vor an dem Projekt festhalten wollen. Ich kann den Verantwortlichen nur davon abraten, jetzt eine Art Verzögerungs- und Verschleierungstaktik anzuwenden. Der WWF und andere Organisationen werden auch weiterhin nicht locker lassen, bis Ilisu endgültig vom Tisch ist“, so Andreas Wurzer, Stv. Geschäftsführer des WWF Österreich. Positives zum Schluss Die Berichte zu Umsiedlung,
Umwelt und Kulturgüter finden Sie unter
http://www.umweltruf.de/news/111/news0.php3?nummer=11095 |