Tagesanzeiger.ch, 14.03.2008 Von Kai Strittmatter KOMMENTAR Bern muss aussteigen Damit hatte keiner gerechnet, am allerwenigsten wohl die Financiers in Bern, Wien und Berlin: Ausgerechnet der von ihnen bestellte Expertenbericht zum Ilisu-Staudamm bestätigt nun einen Grossteil jener Kritik der Staudammgegner, die gern als Schauermärchen überspannter Berufsdemonstranten abgetan wurde. Die Experten zeigen: Das Ilisu-Projekt ist ein Fiasko – und ein Schwindel dazu. Eigentlich sollte man gar nicht viel diskutieren müssen. Allein der Felsenstadt Hasankeyf wegen dürfte Ilisu nie gebaut werden. Man zerstört 10'000 Jahre Menschheitsgeschichte, ein archäologisches Juwel für gerade mal 60 Jahre Dammnutzung. Und doch hat Bern die eigene Beteiligung am Projekt stets als Segen verkauft: Mit mehr als 150 Auflagen habe man die Türken dazu gebracht, aus dem Damm geradezu ein ökologisches und soziales Vorbildprojekt zu machen. Jetzt stellt sich heraus: alles nicht wahr. Die Türken haben in 15 Monaten fast keine der Auflagen erfüllt. Sie haben das Vertrauen ihrer Vertragspartner missbraucht – die sich ihrerseits nur allzu bereitwillig missbrauchen liessen. Fürs Geschäft, für die Aussicht auf viele weitere Geschäfte haben die Schweizer Regierung und die Firmen leere Versprechungen gekauft und an die eigenen Bürger weiterverkauft. Wenn das vernichtende Urteil des Expertenberichts die erste Überraschung war, so sind die Reaktionen aus Bern und Berlin die zweite. Man hat ein Stück Dynamit in die Hände bekommen und tut so, als sei es der morgendliche Wetterbericht: nichts Besonderes. Der Exportrisikoversicherung geht es um Schweizer Profite, nicht um die Rettung der Welt. Das ist ja auch in Ordnung. Aber nicht im Fall Ilisu. Es reicht. Die Schweiz muss aussteigen aus dem Projekt.
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