Der Standard, 02.05.2008 Projekt "Ilisu" droht das Aus Kreditversicherer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz prüfen die Einhaltung der rund 150 Auflagen an die türkischen Behörden Bern/Wien - Der Ilisu-Staudamm, eines der umstrittenen Energie-Projekte der Türkei, ist in einer kritischen Phase. Derzeit prüfen Österreich, die Schweiz und Deutschland, ob die Türkei Auflagen wie eine sozialverträgliche Umsiedlung tausender Menschen einhält. Insgesamt geht es um rund 150 Auflagen an die Behörden. Die Türkei musste bis Ende April nachweisen, dass sie bei den Auflagen mehr Dampf macht. Anfang März hatte ein Expertenbericht festgestellt, dass das Staudammprojekt am Tigris nahe der Grenze zu Syrien und dem Irak die internationalen Standards für Umwelt, Umsiedlungen und Kulturgüter nicht einhält. In den kommenden Wochen werden die Exportkreditversicherer der drei Länder, darunter die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) und die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV), mit Experten prüfen, ob die türkischen Behörden die Auflagen nun einhalten, sagte Eric Scheidegger, Leiter der Direktion Standortförderung beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) der Nachrichtenagentur SDA am Donnerstag. Entschädigungen entsprechen nicht den Abmachungen Problematisch sei etwa, dass Entschädigungen für Menschen, die bereits umgesiedelt wurden, nicht den Abmachungen entsprachen, führte Scheidegger laut SDA aus. Gemäß Vereinbarungen dürfen die Umgesiedelten nicht einfach mit Bargeld abgefunden werden, sondern müssen beispielsweise anderes Land als Ersatz erhalten. Entscheide über das weitere Vorgehen der Versicherer hängen nun davon ab, wie die Experten die Verbesserungsmaßnahmen der Türkei beurteilen. Die Auflagen sind an den Baubeginn geknüpft. Extremfall denkbar Falls die Türkei die Voraussetzungen nicht erfüllen, ist nach den Worten Scheideggers im Extremfall auch denkbar, dass die staatlichen Exportkreditversicherer der drei Länder aus dem Projekt aussteigen. Diese hatten die Übernahme von Exportrisiken an rund 150 Auflagen geknüpft. Der Ilisu-Stausee soll mehr als 300 km² überschwemmen. Der Bau hat die Umsiedlung zehntausender Menschen zur Folge, da ihre Wohnorte überschwemmt werden. Auch die archäologisch bedeutende Stadt Hasankeyf wird versinken. Für die am Projekt beteiligten Schweizer Unternehmen - Alstom, Colenco, Maggia und Stucky - hatte der Bundesrat eine Exportrisikogarantie von 225 Mio. Franken (139,3 Mio. Euro) zugesagt. Neben deutschen und Schweizer Firmen ist auch der österreichische Anlagenbauer Andritz beteiligt. Die Bank Austria stellte einen Teil der Finanzierung bereit. Bei Andritz sollte der Ilisu-Auftrag - nach früheren Angaben in der Höhe von insgesamt 230 Mio. Euro - nach den Worten von Unternehmens-Chef Wolfgang Leitner von Ende Februar noch im 1. Halbjahr in die Auftragsbücher genommen werden; der Großauftrag laufe "programmgemäß", sagte Leitner damals. Haftung nur bei Erfüllung der Auflagen In Österreich haftet der Risikoversicherer Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) mit für den gut 1,1 Mrd. Euro teuren Staudamm. OeKB-Chef Rudolf Scholten betonte erst am Dienstag dieser Woche, dass nur dann eine Haftung übernommen werde, wenn alle Auflagen erfüllt sind. Gleichzeitig meinte Scholten aber auch, dass man der Türkei eventuell Übergangsfristen einräumen könnte. Der Ilisu-Damm gehört zum sogenannten Südostanatolien-Projekt, einem Netzwerk aus 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken, mit dem Ankara dem verarmten Südosten des Landes wirtschaftlich auf die Beine helfen will. Der Damm soll 1,8 km lang und 135 Meter hoch sein und mehr als 10 Mrd. m3 Wasser aus dem Tigris aufstauen; das Kraftwerk soll eine Leistung von 1.200 Megawatt (MW) haben. (APA)
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