Tagesanzeiger, 13.05.2008 Exportversicherer beraten über Ilisu Die Entscheidung über die Finanzierung des umstrittenen Staudamms im türkischen Ilisu soll unmittelbar bevorstehen. Das behaupten zumindest Umweltschutzgruppen, die das Projekt verhindern wollen, weil es ihrer Meinung nach die Natur entlang des Flusses Tigris sowie die uralte Felsenstadt Hasankeyf zerstöre und Zehntausende Menschen ihrer Heimat beraube. Österreichische Ökogruppen wollen von einem geheimen Treffen von Vertretern der österreichischen, deutschen und schweizerischen Exportversicherungsagenturen wissen: Diese Vertreter sollen gestern und heute in Wien über den jüngsten Staudamm-Bericht diskutieren und eine gemeinsame Haltung festlegen. Mehrere Umweltschützer demonstrieren deshalb seit heute Vormittag vor dem Gebäude der staatlichen Exportversicherung in Wien (der «Österreichischen Kontrollbank»). An dem Kraftwerksprojekt sind
österreichische, deutsche und schweizerische Firmen beteiligt, die sich
ihr Exportrisiko staatlich absichern lassen wollen. Die Exportversicherer
wiederum wollen die Ausfallshaftungen nur übernehmen, wenn die Türkei
insgesamt 153 Auflagen erfüllt, zu denen neben Umweltschutz auch die Einhaltung
von Menschenrechten bei der Umsiedlung der anatolischen Bauern in neue
Dörfer gehören. Ein von Experten Mitte März veröffentlichter Bericht stellt der türkischen Regierung jedoch ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Unter anderem heisst es darin, dass nichts getan wurde, um archäologische Ausgrabungen zu sichern, und nichts, um den Bauern aus jenen Dörfern, die im Stausee verschwinden werden, neues Land zu beschaffen. Jetzt sind die Versicherer am Zug: Sie müssen entscheiden, ob sie ihre Garantieerklärungen dennoch aufrecht erhalten - oder zurückziehen. Ein Sprecher der Österreichischen Kontrollbank wollte das trilaterale Treffen weder bestätigen noch dementieren: Zwischen den Agenturen gebe es ständig «intensive Abstimmungen», in ein paar Wochen werde man zu einer gemeinsamen Einschätzung kommen.
|