taz, 03.07.2008 Mega-Staudamm in der Türkei Pläne für Ilisu stocken Weil sich die Türkei nicht an die Umweltauflagen hält, könnte sich der Bau des umstrittenen Staudamm-Projekts verzögern VON TARIK AHMIA BERLIN taz Der für Oktober geplante Baubeginn des umstrittenen Megastaudamms Ilisu in der Türkei wird immer unwahrscheinlicher. Die Finanzierung des 2-Milliarden-Euro-Projektes ist gefährdet, weil die Türkei Kreditauflagen zum Schutz von Umwelt, Bevölkerung und Kulturgütern nicht erfüllt. Der Staudamm in Südostanatolien soll von einem Konsortium gebaut werden, an dem Firmen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und der Türkei beteiligt sind. Zu den Auftragnehmern gehören unter anderem die deutsche Züblin AG sowie der österreichische Anlagenbauer Andritz VA Tech-Hydro. Die Staumauer mit einer Breite von 1,8 Kilometern und einer Höhe von 135 Metern soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak auf einer Fläche von 305 Quadratkilometern in einen künstlichen Stausee verwandeln. Das Vorhaben wird weltweit kritisiert, weil dafür etwa 50.000 Menschen umgesiedelt werden müssen, massive Auswirkungen auf das Ökosystem befürchtet werden sowie die 10.000 Jahre alte und unter Denkmalschutz stehende Stadt Hasankeyf geflutet würde. Trotz des geplanten Baubeginns ist die Türkei aber mit ihren Plänen zum Schutz der Menschen und der Umwelt massiv in Verzug. Staatliche Exportkreditagenturen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bürgen für insgesamt 450 Millionen Euro des Bauvorhabens. Um die negativen Folgen für Menschen und Umwelt möglichst gering zu halten, haben sie ihre Kreditgarantien jedoch an 153 Auflagen geknüpft. "Zwischen den staatlichen Exportagenturen und Nichtregierungsorganisationen herrscht mittlerweile Einigkeit, dass davon bislang so gut wie nichts zufriedenstellend erfüllt wurde", sagte Heike Drillisch von der Entwicklungsorganisation Weed der taz. Drillisch hat Ende Juni an einem Expertentreffen in Wien teilgenommen, das den türkischen Bauherren eine schlechte Zwischenbilanz ausstellte. Drillisch geht daher davon aus, dass mit dem Bau innerhalb der nächsten vier Jahre nicht begonnen werden kann. "Wir sind sehr besorgt, dass die türkischen Stellen mit der Erfüllung zahlreicher Verpflichtungen im Verzug sind", erklärte ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) auf Nachfrage der taz. "Wenn die internationalen Standards nicht eingehalten werden, müssen ernsthafte Konsequenzen gezogen werden", erklärte der Sprecher. Denkbar seien der Stopp vorbereitender Baumaßnahmen, die Verschiebung des Baubeginns am eigentlichen Staudamm, aber auch der Ausstieg aus den Lieferverträgen. Schon im März war eine internationale Prüfkommission zu einem vernichtenden Urteil über Erfüllung der Kreditauflagen durch die Türkei gekommen. In ihrem Bericht kritisierten die Experten, dass nicht einmal die genaue Zahl der umzusiedelnden Menschen ermittelt worden sei, obwohl alle Auflagen bereits Ende 2007 hätten erfüllt sein sollen. Zudem habe es weder Konsultationen mit den Betroffenen gegeben, noch habe die Suche nach Ausweichflächen begonnen. Weil die türkischen Behörden mit der Aufgabe überlastet seien, fordern die Prüfer eine neue staatliche Administration mit 200 Mitarbeitern, in der Zuständigkeiten, Kapazitäten und Ressourcen gebündelt werden. Der Bundesregierung fällt nun für die Zukunft des Projektes eine Schlüsselrolle zu, denn die Umsetzung des Vorhabens hängt von den zugesagten Kreditbürgschaften ab. Aus dem Umfeld des Baukonsortiums verlautet nun, dass ohne diese Bürgschaften mit dem Bau nicht begonnen werde. Derzeit würden mit der Türkei aber weiter Gespräche geführt, so eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums: "Wir versuchen eine Lösung zu finden, die die Einhaltung der Auflagen sichert."
|