Der Tagesspiegel, 16.09.2008 Kommandantur im Irak Saddams Jäger kehrt zurück Als neuer Kommandeur der US-Truppen im Irak ist General Raymond Odierno an den Ort seines größten Triumphs zurückgekehrt. Nach dem Einmarsch der USA in den Irak 2003 hatte der US-General eine 600-köpfige Spezialeinheit mit geheimem Auftrag geleitet: die Ergreifung des untergetauchten Machthabers Saddam Hussein. Washington - Nach Monaten der Suche spürten Odiernos Leute den geflohenen Saddam Ende 2003 in einem Erdloch auf. Seit Dienstag ist der 1,93 Meter große Mann nun als Nachfolger des hoch angesehenen Generals David Petraeus der oberste Kommandeur des US-Einsatzes im Irak. Odierno gilt als einer der Architekten jener neuen Strategie, mit der die US-Armee die Gewalt im Irak zuletzt mit einigem Erfolg eingedämmt hat. Von Odiernos Berufung erhofft sich Washington keinen Neuanfang, sondern Kontinuität. "Die Aufgabe von General Odierno wird sein, gemeinsam mit den Irakern die Fortschritte zu sichern und auszubauen, während die Stärke der US-Truppen abnimmt", sagte Verteidigungsminister Robert Gates am Montag auf dem Flug nach Bagdad. Gates begründete die Benennung Odiernos auch mit dessen guten persönlichen Kontakten, die er sich vor Ort zu Irakern aufgebaut habe. Tatsächlich zählt Odierno zu jener neuen Generation von US-Militärführern, die auf eigene Ortskenntnis im Irak setzen können, wo der US-Einsatz bereits im sechsten Jahr ist. Neue Irakstrategie Ergebnis eines Lernprozesses Mit dem Verweis auf persönliche Kontakte beschreibt der Minister keineswegs eine leutselige Ader Odiernos, der von Mitarbeitern als mutig und klug, aber auch einschüchternd beschrieben wird. Die Kontakte zu Einheimischen sind vielmehr Kernstück der neuen Strategie, mit der Petraeus und Odierno seit Anfang 2007 eine Beruhigung der Lage im Irak bewirkt haben. Sie warben um das Vertrauen der unzufriedenen Sunniten in und um Bagdad, die sich durch die neue schiitische Regierung ausgegrenzt sahen und durch Guerillaaktionen das "sunnitische Dreieck" zum Hexenkessel gemacht hatten. Kurzzeitig war dafür die Zahl der Soldaten auf 160.000 aufgestockt worden. Derzeit sind noch 146.000 im Irak, 8000 sollen bis Jahresende heimkehren. Odierno war selbst in der berüchtigten Sunniten-Region im Einsatz. Die USA halfen hier - unter anderem mit viel Geld - dass Sunniten durch Jobs in Polizei und Armee eine Perspektive jenseits des Beitritts zu Al-Qaida-nahen Milizen gegeben wurde. "Wir haben es geschafft, junge Sunniten vom Extremismus fernzuhalten, ihnen Jobs und Einkommen zu verschaffen und geheimdienstliche Erkenntnisse zu bekommen", sagte Odierno im März in einem Vortrag vor der Heritage-Stiftung in Washington. Als neuer Kommandeur wird Odierno möglicherweise das Ende des Einsatzes einleiten müssen, sollte der im November zu wählende Nachfolger von US-Präsident George W. Bush dies wünschen. Kritik an "agressivem Vorgehen" Odiernos Für Odierno, der vor dem Armeedienst ein Studium als Atomingenieur absolviert hatte, war die neue Irak-Strategie wohl auch das Ergebnis eines Lernprozesses. Als Infanteriekommandeur gleich nach der Invasion 2003 hatte er durch seine als aggressiv empfundene Taktik Kritik geweckt. Der Autor und Militärkorrespondent der "Washington Post", Thomas Ricks, legt Odierno in seinem viel beachteten Buch "Fiasco" über den US-Einsatz schwere Fehler zur Last. Odiernos Division sei auf der Suche nach Aufständischen zunächst viel zu aggressiv vorgegangen und habe nicht um die Herzen und den Verstand der Einheimischen geworben, sondern diese eher verprellt. Auch Odierno räumte in einem Interview mit der "Washington Post" ein, dass er Fehler gemacht habe. (sba/AFP)
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