Die Presse, 04.12.2008 Streit um Staudamm: Bricht Türkei Ilisu-Abkommen? JAN KEETMAN UND WIELAND SCHNEIDER Umweltschutz-Organisationen werfen Ankara vor, entgegen früheren Versprechen den Bau des Ilisu-Staudammes voranzutreiben. ISTANBUL/WIEN. Die Bilder zeigen Arbeiten an einer Betonkonstruktion, die in den Fluss Tigris ragt. In einiger Entfernung sind Baufahrzeuge bei Erdarbeiten zu sehen. Die Fotos wurden von der österreichischen „ECA-Watch“ und anderen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen veröffentlicht. Und diese sehen darin den Beweis: Die Türkei baut einfach am umstrittenen Ilisu-Staudamm in der Osttürkei weiter. Wäre das tatsächlich der Fall, so hätte Ankara eine Abmachung mit Österreich, Deutschland und der Schweiz missachtet. Denn die Türkei hatte im Oktober einen Baustopp versprochen, bis geklärt ist, ob beim Ilisu-Projekt alle Auflagen und Richtlinien der Weltbank eingehalten werden. Davon hängt ab, ob Österreich, Deutschland und die Schweiz die Exportkreditgarantien für das Staudammprojekt übernehmen, an dem Firmen dieser drei Länder beteiligt sind. Die Türkei hat unter anderem Auflagen bei der Umsiedlung der Bewohner der Region und dem Schutz der Kulturgüter des 6000 Jahre alten Städtchens Hasankeyf erhalten, das durch den Damm überflutet werden würde. Der Bürgermeister von Hasankeyf, Abdulvahap Kusen, erklärte nun, bisher habe es keine Verbesserungen bei der Frage der Umsiedlung gegeben. Was die Betonkonstruktion ist, die auf den nun veröffentlichten Bildern zu sehen ist, und in welchem Verhältnis sie zum Bau des Staudammes steht, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen: In der türkischen Zeitung „Hürriyet Daily News“ wird das Wasserwirtschaftsamt der Türkei, DSI, mit der Aussage zitiert, es handle sich um eine Brücke für Baufahrzeuge. Sie werde bei der Errichtung des Dammes gebraucht, aber später wieder beseitigt. Zudem zitiert „Hürriyet“ einen nicht namentlich genannten Ingenieur, der meint, die Konstruktion würde wie ein Teil eines Staudammes aussehen, nämlich Teil einer Schleuse, die später den Durchfluss des Wassers regeln soll. „Österreichs Position bleibt gleich“ Bei der Österreichischen Kontrollbank hingegen sieht man in der Betonkonstruktion eine Infrastrukturmaßnahme für die Bevölkerung: „Bei dem Lieferkonsortium hat man uns gesagt, dass es sich um eine Behelfsbrücke für Dorfbewohner handelt“, sagt Kontrollbanksprecher Peter Gumpinger zur „Presse“. Man werde die Bilder weiter auswerten. Die Errichtung der Konstruktion sei aber kein Baubeginn durch die Türkei. „An unserer Position und der Deutschlands und der Schweiz hat sich nichts geändert.“ Wann genau die Kontrollbank und die zuständigen Institute in den beiden anderen Ländern eine Empfehlung darüber abgeben, ob Exportkreditgarantien gewährt werden, stehe noch nicht fest, so Gumpinger. „Das kann im Dezember oder auch erst Anfang nächsten Jahres sein.“ Der auf 1,2 Mrd. Euro veranschlagte Bau des Ilisu-Dammes wird zu 100 Prozent durch ausländische Kredite finanziert und diese wiederum sind durch Garantien Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gedeckt. Österreich ist mit 280 Mio. Euro dabei, was in etwa dem Auftragsvolumen für die österreichische Andritz VA Tech Hydro entspricht.
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