wien-heute.at, 10.12.2008

Ilisu: Aktivisten besetzen Österreichische Kontrollbank

ECA Watch fordert Ende der Verzögerungstaktik und sofortigen Ausstieg

scholten_rudolf_kontrollbankHeute, Mittwoch, um 9.00 Uhr haben Aktivisten und Aktivistinnen von ECA Watch die Büroräume der Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB) in Wien, Am Hof 4, besetzt. Die Organisation protestiert damit gegen die Beteiligung Österreichs am umstrittenen Ilisu-Staudammprojekt und fordert Kontrollbankchef Dr. Rudolf Scholten (Foto) auf, den Ausstieg aus dem Projekt umgehend zu veranlassen.

"Die Besetzung soll Dr. Scholten und seinen Mitarbeitern die Dramatik und Tragweite des Projekts vor Augen führen", so Ulrich Eichelmann von ECA Watch Österreich. "Genug geredet, genug verzögert. Herr Dr. Scholten, stoppen Sie Ilisu", fordern ECA Watch und die Bewohner der bedrohten Stadt Hasankeyf.

65.000 Menschen verlieren Heimat

Am 12. Dezember läuft das Ultimatum der Europäer an die Türkei ab, eine Entscheidung steht also unmittelbar bevor. Trotz aller Bedenken und der desaströsen Bilanz des Projektverlaufs scheint Rudolf Scholten aber an "Ilisu" festhalten zu wollen. Dem Vernehmen nach soll bei internen Verhandlungen bereits eine Verlängerung des Ultimatums so gut wie beschlossen sein. Bei einem Verbleib im Projekt wäre die OeKB mitverantwortlich dafür, dass 65.000 Menschen ihre Heimat verlieren, Tierarten aussterben sowie wertvollste Kulturgüter zerstört würden, darunter Hasankeyf - eine der ältesten Städte der Welt.

ZDF widerlegt falsche Kontrollbank-Aussage

Erst letzte Woche hatte die OeKB Nachweise illegaler Bauarbeiten am Staudamm verneint und als Arbeiten für die lokale Bevölkerung verharmlost. Offiziell herrscht Baustopp vor Ort. Filmaufnahmen des ZDF beweisen jedoch, dass dort rund um die Uhr tatsächlich bis zu 1.000 Arbeiter tätig sind, der Tigris umgeleitet und eine Betonbrücke für die Baufahrzeuge errichtet wurde. "Eine falsche und geradezu lächerliche Aussage der OeKB und wohl schon ein Hinweis darauf, dass Österreich unbedingt im Projekt bleiben will", so ECA Watch-Sprecher Eichelmann. Im Gegensatz dazu hat das deutsche Wirtschaftsministerium die Bauarbeiten bestätigt und die Türkei dafür scharf kritisiert.

Türken versprechen - halten aber nichts

Dieses Nichterfüllen von Auflagen hat bei "Ilisu" Tradition: Immer wieder hatten die türkischen Behörden den Europäern Besserung versprochen, sich in der Realtiät aber nicht daran gehalten. Experten hatten 2008 dem Projekt zwei Mal ein "ungenügend" bescheinigt und eine Bauverschiebung um drei Jahre gefordert, um internationale Standards zu erreichen. Am 7. Oktober haben die drei beteiligten europäischen Staaten (Österreich, Deutschland, Schweiz) der Türkei offiziell ein Ultimatum gestellt, das am 12. Dezember abläuft. Auch diesmal dürfte die Türkei Besserung versprechen. Und wieder nicht halten ...

Botschafter aus Hasankeyf

Stellvertretend für die betroffenen Bewohner und Bewohnerinnen am Tigris ist Osman Topkan anlässlich der Aktion nach Wien gekommen. Er stammt aus Hasankeyf, dort lebt seine Familie, die sich - wie fast alle Bewohner - gegen den Damm wehrt. Er selbst wohnt zur Zeit in Hamburg. Osman Topkan ist gekommen, um die Besetzung zu unterstützen und um Rudolf Scholten eine Botschaft der Menschen aus dem Tigristal zu überreichen. "Österreich, Deutschland und die Schweiz müssen aus dem Projekt aussteigen. Nur so haben wir eine Chance unsere Heimat doch noch zu retten. Wie kann Österreich ein Projekt unterstützen, das in Europa undenkbar wäre?" so Osman Topkan.