Welt Online, 23.12.2008 Kommentare: Deutschland kündigt der Türkei Kreditverträge Staudamm-Bruch Von Dietrich Alexander Man gebe sich weder auf deutscher noch auf türkischer Seite großen Illusionen hin: Das Tischtuch ist zerschnitten. Die Bundesregierung verabschiedet sich aus der Finanzierung des wichtigsten türkischen Bauvorhabens der Gegenwart. Das Dammprojekt "Ilisu" sollte krönender Abschluss für ein Stausystem sein, das Südostanatolien Entwicklung und Prosperität bringt. Doch Ankara hat die Auflagen nicht erfüllt, verlautbart das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, man lasse sich nicht an der Nase herumführen. Der Dammbau erfordert die Umsiedlung von mehr als 50 000 Menschen sowie zumindest die symbolische Rettung kulturhistorischer Bauten - keine Kleinigkeit. Aber die türkischen Behören planen dieses Milliardenprojekt seit den 80er-Jahren, genug Vorlauf für Entschädigungs- und Umsiedlungspläne. Stattdessen gingen Enteignungen und Bauarbeiten zulasten der Menschen, der Kultur und der Natur munter weiter. Es ist zu begrüßen, dass die deutschen Behörden bei der Vergabe von Hermesbürgschaften peinlich genau auf die Einhaltungen der Auflagen achten - und Missachtung entsprechend sanktionieren. Es zeigt sich, dass die Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte, nach Demokratisierung und Freiheit kein leeres Gerede sind. Diese Volte hat Signalwirkung. Die türkische Regierung demonstriert
mit ihrer Arroganz, dass sie sich von Europa im Allgemeinen und von Deutschland
im Besonderen nichts mehr erhofft, also auch keine Rücksichten mehr nehmen
muss. Am 26. Oktober 2005 nahm sie Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen
Union auf. Seitdem wird über das Thema geflissentlich geschwiegen, und
die EU will diese Episode offenbar lieber als eine Laune der Geschichte
verbuchen als sie mit Inhalt füllen. Die Türken werden sich andere Geldgeber
suchen oder das Projekt auf eigene Kosten durchziehen - es ist nunmehr
zu einer Frage der Ehre geworden. Vielleicht führt dieser "Staudamm-Bruch"
aber auch zu mehr Ehrlichkeit im Umgang zwischen EU und der Türkei. Die
jedenfalls ist dringend nötig.
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