Tagblatt, 18.03.2009 Die Welt gräbt sich das Wasser ab Das Wohl der Menschheit
steht und fällt mit sauberem Trinkwasser – einer kostbaren Ressource,
die zunehmend knapper wird. Etwa 20 000 Fachleute und Regierungsvertreter
beraten diese Woche am Weltwasserforum, was gegen Wassermangel getan werden
kann. istanbul. Auf dem Esstisch erscheint ein Kilogramm Fleisch als handliches Stück. Doch für seine Produktion wurden zwischen 6000 und 20 000 Liter Süsswasser verbraucht. Mit diesem simplen Hinweis zeigen Wasserexperten am fünften Weltwasserforum in Istanbul, was passiert, wenn die Zahl der Menschen und ihr Lebensstandard steigen, während sich die Trockengebiete als Folge des Klimawandels ausdehnen. Es drohen der Welt «Wasserstress», Flucht aus Krisengebieten und im schlimmsten Fall Kriege um die schwindende Ressource Wasser. Situation wird sich zuspitzen Die Versorgung mit Trinkwasser ist in Gefahr, wie die Unesco – die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur – in der vergangenen Woche in einem Bericht gewarnt hat. Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsformen und Lebensstil sind die wichtigsten Faktoren im Wasserverbrauch. Heute leben etwa 6,8 Milliarden Menschen auf der Welt. Bis 2012 sollen es rund 7 Milliarden sein, bis 2050 sogar 9 Milliarden, so die Prognosen. Und schon jetzt haben mehr als eine Milliarde Menschen kein sauberes Trinkwasser, sagen die Organisatoren des Weltwasserforums. Im Jahr 2075 könnten 3 bis 7 Milliarden Menschen in Gebieten mit chronischem Wassermangel leben. Viel Wasser für Landwirtschaft «Der Klimawandel wird zuerst und vor allem über das Wasser zu spüren zu sein, durch Dürren, Fluten, Stürme, schmelzendes Eis oder steigende Pegel der Meere», sagt Mark Smith, Wasserexperte der Naturschutzunion IUCN, die weltweit mehr als 1000 Mitgliedsorganisationen hat. Der Druck auf die verbleibenden Ressourcen nehme zu. «Vielerorts gefährden Wassermangel und Verschmutzung das Wohl der Menschen immer mehr», sagt Smith. Etwa zwei Drittel des genutzten Süsswassers in der Welt verbrauche die Landwirtschaft, erläutert Oktay Tabasaran, Generalsekretär des fünften Weltwasserforums. «Das heisst, in der Landwirtschaft bieten sich die grössten Sparpotenziale.» Am Weltwasserforum werden die erfolgreichsten Methoden dazu vorgestellt. Zahlreiche Experten drängen zur Eile. Grosse Staudämme als Lösung? Staaten wie die Türkei setzen zudem darauf, mehr Staudämme zu bauen und damit Süsswasser auf ihrem Gebiet zurückzuhalten. So soll gleichzeitig Energie aus Wasserkraft erzeugt und Land bewässert werden. Doch die Grossprojekte sind umstritten, weil sie in die Natur eingreifen, wichtige Siedlungsgebiete überfluten und den Anrainern grosser Flüsse über Staatsgrenzen hinweg das Wasser abgraben können. Kritiker sagen darum, grosse Staudämme lösten die Probleme nicht. Im Gegenteil, häufig schafften sie sogar neue. Weltwasserforum seit 1997 Ausgerichtet wird das Weltwasserforum unter dem Motto «Gräben überbrücken» vom Weltwasserrat. Dabei handelt es sich um eine internationale Organisation, der viele Ministerien und weitere Institutionen aus aller Welt angehören. Seit dem ersten Forum, das 1997 in Marrakesch stattfand, folgten alle drei Jahre Treffen, zuletzt 2006 in Mexiko-Stadt. Die Schweizer Delegation wird von Botschafter Martin Dahinden, dem Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), und von Bruno Oberle, dem Direktor des Bundesamtes für Umwelt (Bafu), geleitet. |