Tagblatt, 23.03.2009 Verbrauch soll bewusstgemacht werden Eine neue Plattform
will den nachhaltigen Umgang mit Wasser in Produktion und Konsum fördern Anne-Leonore Boffi: Der Wasser-Fussabdruck ist ein Indikator für den direkten und indirekten Wasserverbrauch von Konsumenten und Produzenten. Wasser wird zum Trinken, Kochen und Waschen gebraucht, aber auch zur Herstellung von Lebensmitteln, Papier, Baumwolle, Kleidern. Für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch beispielsweise werden 16 000 Liter Wasser benötigt, für eine Tasse Kaffee 140 Liter. Es gibt auch nationale Wasser-Fussabdrücke. So umfasst jener Chinas etwa 700 Kubikmeter Wasser pro Kopf und Jahr und jener der USA 2500 Kubikmeter pro Kopf und Jahr. Der Ansatz kommt aus der akademischen Welt, das Ziel ist es, ihn nun zu testen. Entwickelt wurde das Konzept des Wasser-Fussabdrucks von Professor Atjen Hoekstra von der Universität Twente in den Niederlanden. Er ist auch der wissenschaftliche Direktor des Netzwerks. Wir hoffen, dass das Netzwerk die entscheidende Plattform für einen besseren Umgang mit Wasser wird. Wer kann teilnehmen? Boffi: Das Netzwerk ist offen für alle, die sich mit Wassermanagement befassen. Das können akademische Institutionen, Regierungsorganisationen, Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO), Unternehmen oder UNO-Organisationen sein. Das übergeordnete Ziel ist es, einen gemeinsamen Ansatz zu entwickeln. Weshalb braucht es einen Wasser-Fussabdruck? Boffi: Es gibt weltweit eine zunehmende Wasserknappheit. Und die Erwartungen an Unternehmen wachsen, Wasser auf nachhaltige Weise zu verwenden. Was bisher fehlt, ist eine Definition, was ein nachhaltiger Umgang mit Wasser ist. Wir denken, einen Fussabdruck einzuführen, wird den Firmen helfen, dies besser zu verstehen. Welche Indikatoren sollen berücksichtigt werden? Boffi: Die Qualität des Wassers vor und nach dem Verbrauch. Weiter geht es darum, ob der Wasserverbrauch umwelt- und sozialverträglich ist. Dazu zählen die Auswirkungen des Wasserverbrauchs auf ein Flussbett oder eine Wasserscheide. Die Auswirkungen sind auch unterschiedlich, je nachdem, in welcher Saison das Wasser gebraucht wird, ob in der Trockenperiode oder der Regenzeit. Die Arbeitsbedingungen spielen eine Rolle und die Auswirkungen des Wasserverbrauchs auf die Menschen, die an einem Gewässer leben. Es braucht immer eine bestimmte Wassermenge in einem Produktionsprozess. Ähnlich wie beim Energieverbrauch und in der CO2-Debatte geht es weiter darum, wie ein bestimmter Wasserverbrauch ausgeglichen werden kann. Wo steht die Diskussion zurzeit? Boffi: Einige Firmen investieren etwa in Projekte, die Bauern ermöglichen, weniger Wasser für die Landwirtschaft zu benötigen. Die Frage ist, ob man den eigenen Wasserverbrauch ausgleichen kann, indem man in solche Projekte investiert. Soll dies beispielsweise zwingend in derselben Region vorgenommen werden oder nicht? Das wird zurzeit diskutiert. Zuerst muss festgestellt werden, welchen Verbrauch, also welchen Wasser-Fussabdruck man hat. Dann geht es darum, die Auswirkungen davon auf die Umwelt zu evaluieren, soziale Umwelt eingeschlossen, und schliesslich, welche Antworten man auf diese Auswirkungen hat. Es ist ein umfassender Ansatz. Es wird wohl Jahre dauern, bis die Indikatoren für den Wasser-Fussabdruck erarbeitet und von Unternehmen, Regierungen, internationale Organisationen sowie NGO anerkannt sind. Der WBCSD verfügt dabei über einige Erfahrung, er war massgeblich beteiligt an der Entwicklung eines Treibhausgas-Protokolls. Es dauerte mehr als fünf Jahre, bis es zu dem entscheidenden Mittel wurde, das es heute ist. Interview: Annegret
Mathari
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