Neue
Rheinische Zeitung, 20.05.2009
Internationale
Petition fordert Welterbe statt Untergang für Hasankeyf
Ilisu-Staudammbau
stoppen!
Von Peter Kleinert
Das zehntausend Jahre
alte Hasankeyf, eine antike Stadt am Tigris in der südöstlichen türkischen
Provinz Batman, und das angrenzende Tigristal sollen nicht im von der
türkischen Regierung geplanten Ilisu-Stausee versinken, sondern unter
den Schutz der Vereinten Nationen gestellt und als UNESCO Weltkultur-
und Naturerbe ausgezeichnet werden. Das fordert eine Petition, die am
15. Mai offiziell in der Türkei und in Europa gestartet wurde, und die
jede/r unterzeichnen kann.
Die Petition ist
an den türkischen Premier Tayyip Erdogan gerichtet, der formal für den
Antrag an die UNESCO zuständig ist, ebenso an die Regierungschefs in Deutschland,
Österreich und der Schweiz. Angela Merkel, Werner Faymann und Hans-Rudolf
Merz werden darin aufgefordert, aus dem Ilisu-Projekt auszusteigen und
so den Weg zum Welterbe zu ebnen. Dieser Ansicht hatte sich vor kurzem
sogar der ehemalige Türkei-Direktor der Weltbank, Andrew Vonkin, angeschlossen.
Eine Überprüfung durch Wissenschaftler hatte ergeben, dass Hasankeyf und
das Tigristal eine der wertvollsten Kultur- und Naturlandschaften der
Welt sind. Danach erfüllt das Gebiet neun von zehn möglichen Kriterien
der Vereinten Nationen. Zum Vergleich: Venedig mit seinen Lagunen erfüllt
sechs, die Pyramiden in Ägypten vier, die Salzburger Innenstadt drei,
das Dresdner Elbetal vier Kriterien und die Altstadt von Bern ein Kriterium.
Bereits im Dezember 2006 hat der Schweizer Bundesrat den Firmen Alstom,
Colenco, Maggia und Stucky Exportrisikogarantien in Höhe von 225 Millionen
Franken für das Ilisu-Staudammprojekt gewährt. Am 26. März 2007 genehmigten
auch die deutsche und die österreichische Regierung Kreditgarantien für
am Bauprojekt beteiligte einheimische Unternehmen, da die vorgegebenen
Kriterien erfüllt seien. Ziel des Staudammprojektes soll eine ausreichende
Bewässerung der Region sein.
Umweltorganisationen
in Deutschland, Österreich, kurdische und türkische NGOs in der Türkei
sehen das anders. „Durch den Ilisu-Damm wird die über 10.000 Jahre alte
Stadt Hasankeyf, die unter Denkmalschutz steht und von Experten zum Weltkulturerbe
gezählt wird, für immer in den Fluten versenkt werden. Darüber hinaus
wird der Staudamm zur Vertreibung von 55.000 Menschen führen", heißt
es in einer Erklärung von 72 Organisationen aus der betroffenen Region.
Zahlreiche Prominente haben sich bereits der neuen Initiative angeschlossen
und haben die Petition unterzeichnet – unter ihnen der bekannte deutsche
türkischstämmige Filmemacher Fatih Akin. Deutschlands prominentester Naturschützer
und Träger des Alternativen Nobelpreises, Prof. Dr. Michael Succow: „Ich
unterstütze die Petition für die Ernennung zum Welterbe von Hasankeyf
und dem Tigristal, weil es sich um eine Natur- und Kulturlandschaft handelt,
mit der unsere Menschheitsgeschichte aufs Engste verbunden ist. Auch viele
unserer Ackerfrüchte stammen von dort! Der Ilisu-Staudamm würde einzigartige
Naturlandschaften und Kulturschätze zerstören. Deshalb unterstütze ich
die Idee, Hasankeyf und das Tigristal als Welterbe zu schützen. Der Staudamm
wäre eine Schande!"
Auch Bremer Initiativen,
wie z.B. der BUND, NABU, NWN und das Bremer Friedensforum unterstützen
die Petition. Die Bremer Manfred-Hermsen-Stiftung für Natur und Umwelt,
deren Schwerpunkt Fließgewässer sind, und die sich an verschiedenen Renaturierungen
auch der Wümme beteiligt, engagiert sich bereits seit zwei Jahren für
den Erhalt des Tigris als einem der letzten noch ökologisch intakten Flüsse
Mesopotamiens mit einer Vielzahl gefährdeter, teils nur dort vorkommender
Tier- und Pflanzenarten. Die Stiftung ist maßgeblich an der internationalen
Stop-Ilisu-Kampagne beteiligt (siehe www.m-h-s.org). Geschäftsführerin
Stefanie Hermsen: „Es gibt eine Zukunft für die Region und die heißt Welterbe.
Die europäischen Staaten sollten lieber in den Erhalt der Region investieren,
als deren Untergang zu finanzieren"
„Menschen-, umwelt- und kulturfeindlich“
Der Bremer Publizist, Rechtsanwalt und Vizepräsident der Internationalen
Liga für Menschenrechte, Dr. Rolf Gössner erklärt: „Ich halte das umstrittene
Projekt des Ilisu-Staudamms für menschen-, umwelt- und kulturfeindlich.
Hieran dürfen sich europäische Regierungen und Unternehmen auf keinen
Fall beteiligen. Denn was soll aus den von der Flutung betroffenen zig
Tausenden von Menschen werden, wenn sie aus ihrer Dorfgemeinschaft gerissen
werden, ihre Obstgärten und Schafweiden verlieren? Sie werden ihrer Lebensgrundlagen
beraubt. Die Auszeichnung als Welterbe für die Region des Tigristals und
rund um Hasankeyf halte ich für eine sinnvolle Aktion, um diese humanitäre,
kulturelle und ökologische Katastrophe verhindern zu helfen!"
„Wir fordern alle Menschen auf, diese Petition zu unterzeichnen. Die Zukunft
von Hasankeyf und des Tigristals ist nicht nur ein türkisches Anliegen,
sondern ein welt-weites. Es geht um das natürliche und kulturelle Erbe
der gesamten Menschheit!" so Stefanie Hermsen von der Bremer Manfred-Hermsen-Stiftung.
Am 6. Juli läuft die letzte Frist für die Türkei ab. Bis dahin müssen
Deutschland, Österreich und die Schweiz endgültig ihre Entscheidung gefällt
haben, ob sie das Ilisu-Projekt weiterhin zugunsten der Profite von europäischen
Baukonzernen und Investoren unterstützen oder die Verträge mit der Türkei
kündigen. (PK)
Weitere Informationen und die Online-Petition: www.stopilisu.com.
Auskunft erteilt Stefanie Hermsen/Manfred-Hermsen-Stiftung stefanie.hermsen@m-h-s.org
Hierzu auch der Filmclip in NRhZ Nr.160 vom 20.08.2008 mit dem Titel „Europas
schmutzige Hände – Stop Ilisu!“ http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12775
Online-Flyer Nr. 198
vom 20.05.2009
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