FAZ, 05.01.2015

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Förder-Rekorde Ölpreis stürzt ab

Der Irak produziert so viel Öl wie in den achtziger Jahren, Russland so viel wie seit Ende der Sowjetunion nicht mehr. Wie ist das möglich? Öl wird so jedenfalls immer günstiger.

von Franz Nestler

Basra - Die Stadt im Süden des Irak ist die wichtigste Hafenstadt des Landes und für die Erdölindustrie im Südirak bedeutend.

Die Talfahrt der Ölpreise hat sich am Montag wieder beschleunigt. Der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent fiel um bis zu 6,5 Prozent auf bis zu 52,66 Dollar. So niedrig war das Preisniveau zuletzt im Mai 2009. Dabei zog auch der kurzzeitige Sturz des Preise für amerikanisches Leichtöl unter die Marke von 50 Dollar den Preis nach unten. Seit den Höchstständen vom Juni 2014 von etwa 112 Dollar hat sich der Preis für Brent mittlerweile mehr als halbiert.

Zum einen ist der schwache Euro ein Grund für den niedrigen Ölpreis. Denn eine Aufwertung des Dollar macht Öl für Investoren außerhalb der Vereinigten Staaten teurer – damit wird weniger nachgefragt. Auch verheißen die Nachrichten aus China, Japan und Europa immer noch keine robuste Wirtschaftslage. Damit wird die Nachfrage weiter niedrig bleiben, was dann wieder zu niedrigeren Preisen führt, da gleichzeitig das Angebot steigt.

Denn rund um den Globus stellen zahlreiche Ölförderländer neue Rekorde auf oder fördern wenigstens so viel von dem schwarzen Gold wie zuletzt in den 80er Jahren, darunter der Irak, Russland und die Vereinigten Staaten. Gründe dafür gibt es zahlreiche, vielen ist eines gemein: Die Technologie hat sich in den vergangenen 25 Jahren weiterentwickelt. Vorkommen, die in den 80er Jahren noch als unförderbar oder unrentabel galten, konnten durch neue Fördertechniken wie Fracking erschlossen werden.

Ansonsten sind die Gründe für den Boom in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. In Russland hat die Erwärmung der Erde Permafrostböden auftauen lassen und so das Erschließen mancher Ölquellen einfacher gemacht. Die irakischen Ölexporte sind mit knapp 3 Millionen Barrel – ein Barrel entspricht 159 Liter – täglich so hoch wie zuletzt in den 80er Jahren. Das liegt vor allem an dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins im Zweistromland.

Der erste Golfkrieg sowohl als auch die Giftgasangriffe auf die kurdische Minderheit führten den Irak in die politische wie wirtschaftliche Isolation. Die Ölanlagen wurden marode und verfielen. Erst mit der amerikanischen Besetzung im Jahr 2003 verbesserte sich die Situation langsam. Nun, zehn Jahre nach dem Ende Husseins, sind die Anlagen auch dank der Mithilfe westlicher Konzerne moderner und vor allem wurden die Exportbeschränkungen aufgehoben. Nun befindet sich die Terrormiliz Islamischer Staat auf dem Rückzug und die große gemeinsame Gefahr hat Kurden und Iraker zumindest vorerst geeint.

Russland unter Druck

Natürlich ist der sinkende Ölpreis auch hier eine Gefahr für den Staatshaushalt, da dieser einen Preis von 100 Dollar benötigt, um ausgeglichen zu sein. Doch nicht nur der Irak produziert immer mehr Öl. Russland fördert nun 10,7 Millionen Barrel täglich. Das ist der höchste Stand seit dem Ende der Sowjetunion. Hier sind die Sanktionen der Europäischen Union noch nicht angekommen.

Doch Russland steht ein hartes Jahr bevor. Dringend benötigte westliche Technologie wird durch die Sanktionen nicht in das Land gelangen. Diese ist aber nötig, um an die Ölreserven zu gelangen, die in sehr unwirtlichen Gebieten lagern. Auch wird es durch die zahlreichen Sanktionen immer schwieriger, um an das dringend benötigte Kapital zu gelangen. Der niedrige Ölpreis tut sein übriges dazu, so dass viele mögliche Projekte im Moment nicht rentabel sind.

Die Folge: Das Wachstum der Produktion halbiert sich. Um überhaupt an Geld zu kommen, verkauft das Land nun unter Marktwert sein Öl an China. Damit wuchs der Export an das Land um etwa 43 Prozent auf 450.000 Barrel am Tag. Doch noch ist das viel zu wenig, um die Verluste auszugleichen. Russland droht eine Rezession, und zumindest im Moment sieht es nicht so aus, als würde die russische Produktion noch nennenswert wachsen können. Verhindern könnte das nur ein Ende der Sanktionen der westlichen Länder, verbunden mit einem höheren Ölpreis. Noch ist die chinesische Öl-Technologie nicht so weit, um in den schwierigen russischen Bedingungen eingesetzt zu werden.

Von solchen Problemen ist in den Vereinigten Staaten noch nichts zu spüren. Zuletzt stieg trotz des niedrigen Preises die Anzahl der Bohrlöcher weiter an, auf 1575. Damit liegt sie nur 0,2 Prozent unter ihrem Rekordhoch im Oktober. Damals förderte das Land 283 Millionen Barrel im Monat – so viel wie zuletzt im Januar 1986.

Nun entschied das Handelsministerium auch, dass der Export leichten Rohöls zugelassen wird. Damit wird demnächst mehr Öl aus den Vereinigten Staaten auf den Weltmarkt drängen, womit wiederum die dortigen Ölvorkommen wieder eher rentabel werden. Denn der Preis für die amerikanische Sorte WTI liegt im Moment bei rund 50 Dollar je Fass. Der für den Weltmarkt maßgebliche Brent-Preis notiert dagegen mit rund 53 Dollar zumindest etwas höher. Doch rechnen zum Beispiel die Fachleute der Citigroup, dass sich diese Differenz im laufenden Jahr auf bis zu 10 Dollar erhöhen wird – 10 Dollar, die über Rentabilität und Unrentabilität eines Bohrlochs entscheiden können.

Nun wird auch das Kalkül Saudi-Arabiens klarer. Während andere Länder ihre Förderung immer mehr ausweiten, hätte Saudi-Arabien seine Produktion einschränken müssen. Doch die Scheichs waren dieses Mal dazu nicht bereit, allen voran weil sich andere Opec-Förderländer in der Vergangenheit nicht an Vereinbarungen und Einschränkungen gehalten haben. Nun versucht Saudi-Arabien durch die konstant hohe Förderung andere Spieler aus dem Markt zu drängen. Ob das gelingen wird, ist zumindest im Moment äußerst fraglich. Doch es gibt auch immer noch Optimisten. So schreibt die Commerzbank, sie halte „das gegenwärtige Preisniveau für eine Übertreibung nach unten“, und rechnet mit einer baldigen Stabilisierung.

An den ersten deutschen Tankstellen hat der Dieselpreis nunmehr die Marke von 1,10 Euro unterschritten. Womöglich wird er noch unter 1 Euro fallen. Das wäre dann wirklich historisch. Zuletzt lag der Jahresdurchschnittspreis für Diesel 2005 unter 1 Euro.