Neue Zürcher Zeitung, 07.01.2015

http://www.nzz.ch/international/naher-osten-und-nordafrika/vier-fuenftel-der-stadt-wieder-unter-kontrolle-der-kurden-1.18455947

Zäher Rückzug der Jihadisten aus Kobane

Vier Fünftel der Stadt wieder unter Kontrolle der Kurden

Jürg Bischoff, Beirut

Kobane: Kurdische Verteidiger haben die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) aus dem ehemaligen Verwaltungs- und Sicherheitszentrum der Stadt vertrieben (Aufnahme: November 2014). Kobane: Kurdische Verteidiger haben die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) aus dem ehemaligen Verwaltungs- und Sicherheitszentrum der Stadt vertrieben (Aufnahme: November 2014). (Bild: Jake Simkin / AP)

Die kurdischen Verteidiger der syrischen Stadt Ain al-Arab, auf Kurdisch Kobane, haben die Kämpfer des Islamischen Staats (IS) aus dem ehemaligen Verwaltungs- und Sicherheitszentrum der Stadt vertrieben. Damit hätten sie 80 Prozent des Stadtgebiets unter Kontrolle, erklärten am Dienstag die Volksverteidigungseinheiten (YPG), die mit der türkischen Kurdenpartei PKK liierte Miliz der syrischen Kurden. Der IS hatte Kobane, das direkt an der türkischen Grenze liegt, Mitte September angegriffen und dank der überlegenen Bewaffnung seiner Kämpfer einen Monat später grösstenteils erobert.

Den Umschwung brachte eine von den Kurden ausgelöste Kampagne in den sozialen und konventionellen Netzwerken zur Rettung Kobanes. Die Amerikaner setzten einerseits die Türkei unter Druck, ihre diskrete Förderung der Jihadisten aufzugeben, andererseits fokussierten sie ihre Luftangriffe zunehmend auf die IS-Stellungen und -Nachschubwege in und um Kobane. Über drei Viertel aller Luftangriffe der Anti-IS-Koalition in Syrien im Jahr 2014 trafen die Region Kobane. Im Unterschied zu anderen Gegenden Syriens haben die Amerikaner mit den YPG in Kobane Kämpfer am Boden, die ihnen Koordinaten für die Angriffsziele liefern.

Die YPG melden auch Gefechte weiter östlich in der Provinz Hasaka, vor allem im syrisch-irakischen Grenzgebiet. Die Kontrolle dieser Gegend ist wichtig in der Schlacht um die Jesiden-Stadt Sinjar, die vom IS im August überrannt worden war. YPG, irakische Peschmerga und jesidische Milizionäre versuchen seit zwei Wochen die Stadt dem IS zu entreissen. Das Bergmassiv nördlich von Sinjar ist bereits in kurdischer Hand, doch haben sich die Jihadisten in der Stadt verschanzt und leisten weiter einen zähen Widerstand.

In der irakischen Provinz Anbar haben die Jihadisten am Dienstag das Dorf Jubba im Euphrattal eingenommen, nachdem sich zwei Selbstmordattentäter in einer Moschee in die Luft gesprengt hatten. Bei den Anschlägen und den nachfolgenden Kämpfen wurden 23 irakische Soldaten und mit der Regierung verbündete sunnitische Stammeskämpfer getötet. Jubba liegt wenige Kilometer von der irakischen Armeebasis al-Asad entfernt, wo rund 300 amerikanische Instruktoren irakische Soldaten ausbilden. Obwohl die Basis seit einigen Wochen unter dem Artilleriebeschuss des IS steht, seien die dort stationierten Amerikaner nicht gefährdet, sagte ein Pentagon-Sprecher am Montag.