Telepolis, 11.01.2015

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43822/1.html

Anti-IS-Krieg: Türkei drängt weiter auf No-Fly-Zone in Syrien

Thomas Pany

Vertreter Ankaras plädieren dafür, keine Zeit mehr für Ausbildung moderater Kräfte zu verschwenden und auf die FSA zu setzen

In zwei Monaten soll das Ausbildungs-und Ausrüstungsprogramm ("train and equip") syrischer Rebellen der Anti-IS-Koalition auf eine neue Stufe gehoben werden. In der Türkei, in Saudi-Arabien, in Jordanien und in Katar werden schon seit längerem sogenannte "moderate" Oppositionskräfte ausgebildet, um auf dem Boden zu kämpfen, wovor die USA, Führer der Koalition, zurückscheuen, um sich nicht noch tiefer in die kriegerischen Konflikte in Syrien zu verwickeln. Das Ausbildungs-und Aufrüstungsprogramm soll mit dem Ziel der Bekämpfung und Zerstörung der IS-Milizen ausgebaut werden. Allerdings bleibt ein heikles politisches Problem: Wie hält man es mit der Regierung Assad?

Zwar ist bekannt, dass keine Regierung der oben genannten Staaten Assad unterstützt. Im Gegenteil: seit Ende 2011 sind die Führungen der Länder im syrischen Proxy-Krieg auf unterschiedliche Art verstrickt; in offiziellen Statemnets machten sie auch klar, dass sie den syrischen Präsidenten nicht länger an der Macht sehen wollen. Allerdings können sich die USA solche eindeutigen Parteinahmen politisch nicht länger leisten, ohne eine weitere Eskalation der Konflikte und geopolitischen Spannungen, die mit Syrien verbunden sind, zu riskieren.

Die Zurückhaltung kommt auch darin zum Ausdruck, dass die USA für den Krieg gegen den IS die Parole "Zuerst Irak" ausgegeben hat. Nur zeigt sich, dass diese Etikettierung de facto nicht funktioniert hat bzw. wenig Gültigkeit hatte, was allein schon daran zu sehen war, dass die US-Airforce viele Angriffe auf syrische Ziele geflogen ist. Dass Syrien, wo der IS große Teile besetzt hält, eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Dschihadisten spielt, wird nicht bestritten; umstritten ist aber, wie sich die Koalition gegenüber Assad positionieren soll. Angesichts der Brutalität, welche die Dschihadisten an den Tag legten, hat sich bekanntlich auch die Einstellung der Öffentlichkeit in vielen Ländern gegenüber der säkular ausgerichteten Regierung in Damaskus verändert.

Der Konflikt darüber, gegen wen die von den "Freunden Syriens" ausgebildeten oppositionellen Milizen kämpfen sollen, prägt auch die Verhandlungen zwischen den USA und der Türkei in der Sache. Nach "Backstage"-Informationen der englischsprachigen Ausgabe der türkischen Zeitung Hürriyet hat man die Frage, gegen wen die ausgebildeten Milizen kämpfen sollen, erstmal zur Seite gelegt. Die Verhandlungen sollen sich - wieder einmal - in einer Sackgasse befinden.

Bemerkenswert ist die Haltung der türkischen Vertreter, die als Backstage-Quellen herangezogen werden, in einer anderen, konfliktträchtigen Frage: wer ausgerüstet und unterstützt werden soll. Man konzentriert sich hier eindeutig auf die Freie Syrische Armee. Mit dem Zusatz, dass man keine weitere Zeit mehr auf die Frage verschwenden solle, wen man unterstützen soll. Das gelte auch für die Ausbildung, die FSA müsse nicht mehr ausgebildet werden. Auch das sei Zeitverschwendung. Es geht aus türkischer Sicht nun hauptsächlich darum, die FSA mit möglichst guten Waffen auszurüsten.

Zudem argumentieren die Vertreter aus Ankara weiter für die Einrichtung einer No Fly Zone auf syrischem Gebiet in der Nähe der Türkei. Die facto sei dies jetzt schon der Fall, die syrische Luftwaffe würde sich aus dem Gebiet heraushalten, wo die USA Luftangriffe fliegen. Politisch würde diese Zone eine "langsame Demokratisierung" ermöglichen, so die idealpolitische Verpackung der türkischen Interessen. Im Gegenzug bietet man an, dass die Türkei selbst mit eigenen Bodentruppen die FSA-Kräfte anführen würde - "joining the air and ground operation and taking command of the FSA".

So wird auch das machtpolitische Interesse der Türkei in Syrien deutlich. Für die Nato könnte dies zu brenzligen Situationen führen, sollte das Bündnismitglied auf eigenem Boden von IS-Milizen angegriffen werden.