welt.de, 13.01.2015

http://www.welt.de/politik/ausland/article136303613/Ahmet-Davutoglu-ein-wahrer-Enkel-der-Osmanen.html

"Ahmet Davutoglu, ein wahrer Enkel der Osmanen"

Zum ersten Mal besucht Ahmet Davutoglu in seiner Funktion als türkischer Premierminister Deutschland. In Berlin wandte er sich an die hier lebenden Türken. Die ehrten ihn dafür mit Sprechchören. Von Eva Marie Kogel, Metin Gülmen

Vor dem Tempodrom, einer zeltartigen Konzerthalle ziemlich in der Mitte Berlins, stehen Männer und verkaufen Schals, das Stück zu fünf Euro. Darauf eingestickt: das Konterfei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und ganz oft die drei Buchstaben "AKP".

Fanschals also, für die Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung, der auch Premierminister Ahmet Davutoglu angehört. Der wendet sich hier, in dem Konzertzelt, am Montagabend an die in Deutschland lebenden Türken.

"Der Preis ist wirklich ok", sagt ein Familienvater, der seine beiden Töchter im Grundschulalter mit Schals dekoriert hat. "Die beiden sind so stolz." Dieses Gefühl sollte eines der großen Themen des Abends werden.

Davutoglu lässt seine Fans warten

Davutoglu, der Deutschland zwar schon mehrfach in seinem vorherigen Amt als Außenminister besucht hatte, ist zum ersten Mal als Premierminister in der Bundesrepublik zu Gast.

Am Mittag ist er mit Angela Merkel zusammengetroffen (Link: http://www.welt.de/136286414) . Im Gespräch mit der Kanzlerin hatte er Deutschland um mehr Unterstützung für einen EU-Beitritt seines Landes gebeten. Am Abend schließlich wendet er sich an seine Berliner Anhänger. Doch erst mal müssen die warten.

Es dauert einige Zeit, bis der Premier die Bühne betreten wird. Die Zeit überbrückt ein Einheizer. Das Leitgefühl des Abends, den Stolz, weiß auch er zu vermitteln. Zwei Stunden hält er das Publikum mit Musik und verschiedenen Singspielen bei Laune.

Die Schals sind bei diesen Übungen unglaublich praktisch. Zum Beispiel kann man sie zum offiziellen Davutoglu-Fan-Lied in der Luft schwenken. Der Text dazu wird, ähnlich wie in einer Karaoke-Bar, auf zwei Leinwänden eingeblendet: "Er ist aufrecht! Er ist rechtschaffen! Er ist ehrlich!" – "Wer? Wer? Wer?" – "Ahmet Davutoglu, ein wahrer Enkel der Osmanen!"

Applaus für die syrische Opposition

Das Publikum feiert mit. Es schwenkt viele Türkei-Fahnen und wenige Deutschland-Fahnen. Auf den Rängen weiter oben halten drei junge Männer eine Libanon-Flagge in die Luft. Warum sie das tun? "Davutoglu ist der Anführer aller Sunniten."

Später gibt es Applaus, als einige Männer und Frauen mit kleinen Fahnen der syrischen Opposition die Halle betreten. Den osmanischen Anspruch, den das Publikum im Fanlied besingt, meint es so. Nach einer Stunde etwa sind die Menschen so weit, dass sie auch ohne Einheizer feiern.

Schließlich betritt Davutoglu die Bühne. Er weiß, zu wem er spricht, er kennt sein Publikum. "Die Zeiten, in denen die Türkei schwach war, sind vorbei." Der Staat sei stark, der wirtschaftliche Aufschwung ungebremst, und den Respekt seiner Nachbarn habe die Türkei auch.

Viel habe sich verändert seit der Zeit, in der die Gastarbeiter ihr Land hätten verlassen müssen. "Die Zeiten, in denen ihr euch geschämt habt, euren Pass zu zeigen, sind vorbei. Jetzt blickt ihr in die Augen eures Gegenübers und sagt: Ich bin Türke."

Neues Selbstbewusstsein für die Türken

Gründe für dieses neue Selbstbewusstsein kann er viele nennen. Heute gebe es zum Beispiel keine Türkei mehr, die auf Waffenimporte aus anderen Ländern angewiesen sei. "Heute produzieren wir unsere eigenen Waffen."

Es gebe Kreise, sagt er, "die sich am Aufstieg der Türkei (Link: http://www.welt.de/135626740) stören" würden. Die Gezi-Proteste seien dafür ein gutes Beispiel. Aber dieser "Anschwärzungskampagne" habe "die neue Türkei" sich nicht gebeugt. Das Publikum johlt.

"Der Staat", verspricht Davutoglu den Anwesenden, "steht immer an eurer Seite." Richtig beruhigend klingt das nicht.