welt.de, 14.01.2015

http://www.welt.de/politik/ausland/article136339757/Tuerkischer-Regierungschef-vergleicht-Pegida-mit-IS.html

Türkischer Regierungschef vergleicht Pegida mit IS

"Das ist doch eine mittelalterliche Mentalität": Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu attackiert die Pegida-Bewegung mit einen drastischen Vergleich – und verweist auf das Jahr 1929.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat die Anti-Islam-Bewegung Pegida in Deutschland mit der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) verglichen. Davutoglu sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" laut einem Vorabbericht (Link: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/tuerkeis-regierungschef-davutoglu-vergleicht-pegida-mit-is-13367895.html) , beide hätten eine "mittelalterliche Mentalität". Er verwies auf die Stadt Mossul im Nordirak, die von der IS-Miliz besetzt ist.

Die Islamisten hätten dort Kirchen zerstört und dies damit gerechtfertigt, dass Mossul eine islamische Stadt und nur für Muslime sei. "Das ist dieselbe Logik wie die von Pegida, dass Deutschland nur den Christen gehöre", sagte Davutoglu. "Das ist doch eine mittelalterliche Mentalität."

Der vor allem aus Dresden durch montägliche Demonstrationen bekannten Pegida-Bewegung warf Davutoglu vor, sie wolle "eine exklusive christliche deutsche Gemeinschaft". Das sei eine Bedrohung nicht nur für Türken und Muslime, sondern auch für Deutschland selbst.

Wie nach der Wirtschaftskrise 1929 werde wieder bei allem, was schieflaufe, die Schuld beim "Anderen" gesucht. "Das ist genau die Mentalität von Daesch (Islamischer Staat, IS). Ein vormoderner Name mag Daesch sein, ein moderner Name ist Pegida", sagte der Ministerpräsident.

Die radikalislamische IS-Miliz hat im Irak und in Syrien große Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht und dort einen eigenen Staat nach ihrer Interpretation eines streng islamischen Rechts ausgerufen. Die Extremisten gehen mit äußerster Brutalität gegen Andersdenkende und Andersgläubige vor.

Angeblich Fortschritte bei Meinungsfreiheit

In der Türkei habe es große Fortschritte in der Meinungs- und Religionsfreiheit gegeben, betonte der Regierungschef mit Blick auf Reformen der vergangenen 15 Jahre. So hätten die Kurden mehr Rechte erhalten. Das gleiche gelte für die im Land vertretenen Religionsgemeinschaften.

Seit drei Jahren werde den nichtmuslimischen Stiftungen Eigentum zurückgegeben, das ihnen durch Enteignungen abgenommen worden war. "Erstmals wird in der Geschichte der Republik eine neue Kirche – für die syrisch-orthodoxe Kirche – in Istanbul gebaut", sagte Davutoglu. Es gebe "keinen Trend zu einer autoritären Türkei"

Kritiker werfen der türkischen Regierung Unregelmäßigkeiten beim Kirchenneubau in Istanbul vor. Bei dem von der Stadt zur Verfügung gestellten Grundstück handele es sich um einen römisch-katholischen Friedhof, der 1950 vom Staat eingezogen worden sei. Proteste der katholischen Kirche verhallten bislang ungehört. Immer wieder klagen zudem nicht-muslimische Religionsgemeinschaften über Diskriminierungen.

Türkei verhört sechs Terrorverdächtige

Im Zusammenhang mit einem Selbstmordanschlag auf eine Istanbuler Polizeistation verhörten unterdessen die türkischen Behörden sechs Personen, unter ihnen mehrere Ausländer. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Dienstag, die Verdächtigen würden von Antiterror-Spezialisten in Istanbul vernommen. Weitere Einzelheiten nannte sie nicht.

Bei dem Anschlag vor einer Woche hatte sich eine Frau in die Luft gesprengt und einen Polizisten mit in den Tod gerissen. Ein zweiter Beamter wurde verletzt. Türkische Medien berichteten, die Attentäterin sei Tschetschenin gewesen. Eine linksradikale Gruppe bekannte sich zu dem Anschlag, zog ihre Erklärung aber wieder zurück.