tagesschau.de, 14.01.2015

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Unterstützung der Kurden im Nordirak

Deutsche Waffen außer Kontrolle

Die Bundeswehr im Nordirak weiß nicht, an welche Einheiten der kurdischen Peschmerga-Milizen die gelieferten Waffen nach deren Ankunft im Irak gehen. Das räumte der Sprecher der Bundeswehr vor Ort im Interview mit dem ARD-Magazin Monitor ein. "Wir können nicht verfolgen, wo die einzelnen Waffen hingehen. Wir haben keine Kenntnisse über die einzelnen Bataillone oder gar Kompanien, wo die Waffen sich befinden", sagte Oberstleutnant Torsten Stephan.

Recherchen von Monitor im Nordirak legen zudem schwere Menschenrechtsverletzungen durch Peschmerga-Milizen und die kurdische Führung nahe. So schilderten mehrere kurdische Regierungskritiker, wie sie vom Geheimdienst der Autonomieregierung oder Privatmilizen in Geheimgefängnisse gebracht und dort gefoltert wurden. Die kurdische Autonomieregierung beschuldigen sie, solche Gefängnisse auch weiterhin zu unterhalten und sie befürchten, dass die westlichen Waffen schon bald auch gegen sie gerichtet werden könnten.

Bundesregierung in der Verantwortung?

Ein ranghoher Peschmerga-General wird darüber hinaus verdächtigt, einen Auftragsmord an einem regimekritischen Journalisten angeordnet zu haben. Bis Ende Dezember 2014 befehligte er einen der Frontabschnitte, die mit deutschen Waffen ausgestattet wurden. Das belegen Filmaufnahmen von Monitor

Die Krisenbeauftrage der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Donatella Rovera, äußerte scharfe Kritik am Verhalten der Bundeswehr. Den Verbleib gelieferter Waffen nachzuverfolgen, "liegt in der Verantwortung jeder Regierung, die Waffen verkauft oder kostenlos weitergibt". Vor diesem Hintergrund sei das Verhalten der Bundeswehr "absolut falsch". Die Bundesregierung trage damit auch die Mitverantwortung für alle Verbrechen, die mit diesen Waffen begangen werden.

Regierung beruft sich auf "Endverbleibserklärung"

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, forderte gegenüber Monitor, dass die deutsche Hilfe an Peschmerga-Milizen in dieser Form nicht weiter geleistet werden dürfe, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. "Geheimgefängnisse, insbesondere Foltergefängnisse, müssen geschlossen werden. Das ist eine Voraussetzung für eine vernünftige und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit einem Staat. Und da kann man auch keine Kompromisse schließen." Strässer kündigte entsprechende Anfragen an die Bundesregierung an.

Die Bundesregierung antwortete auf Monitor-Anfrage, dass "Berichte über Verletzungen des humanitären Völkerrechts sehr ernst genommen" werden und wies auf die vereinbarte Endverbleibserklärung für Waffen und Rüstungsgüter hin. Es lägen "keine Erkenntnisse vor, dass die Regierung der Region Kurdistan-Irak von der unterzeichneten Endverbleibserklärung abweicht".

Noch in diesem Monat soll der Bundestag über die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Nordirak entscheiden. Zusätzlich denkt die Bundesregierung darüber nach, den kurdischen Peschmerga-Milizen noch mehr Waffen und Ausrüstung für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" zu liefern.

Mehr zu diesem und anderen Themen sehen Sie am Donnerstag in der Sendung "Monitor" um 21.45 Uhr in der ARD