Die Presse, 15.01.2015

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"Viel Verständnis" für IS-Kämpfer in türkischem Gefängnis

Häftlinge durften per Internet mit Terrrormiliz kommunizieren, berichtet ein IS-Kämpfer. Die Türkei und Israel gehen weiter auf Konfrontationskurs.

Ein Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat die türkische Polizei für ihr "großes Verständnis" gelobt. Er und seine Mitgefangenen hätten im Gefängnis per Internet mit dem IS kommunizieren dürfen, schrieb der 19 Jahre alte Brite an die Tageszeitung "Times" (Donnerstag).

"Die Polizisten waren sehr freundlich", schrieb er. "Sie verstanden, warum wir in Syrien kämpfen wollten. Sie hassten Assad, Israel etc. Ihre Ideologie war die der Muslimbruderschaft." Die Muslimbruderschaft ist die größte und traditionsreichste Islamistenorganisation in der arabischen Welt.

Der Mann behauptet, im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei gekommen zu sein und heute in der syrischen IS-Hochburg al-Rakka zu leben. Über einen Austausch von 49 Geiseln aus dem türkischen Konsulat in Mossul gegen IS-Mitglieder hatte im September die Zeitung "Hürriyet" berichtet. Ankara hat dies jedoch nie bestätigt.

Davutoglo kontert Lieberman

Auch der Ton zwischen den türksichen und israelischen Machthabern wird zusehendes rauer. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat seinen israelischen Kollegen Benjamin Netanyahu mit den islamistischen Attentätern von Paris verglichen. Sie alle hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt, sagte Davutoglu am Donnerstag vor Journalisten.

Davutoglu reagierte auf Äußerungen des israelischen Außenministers Avigdor Lieberman, der den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch einen "antisemitischen Straßenrowdy" genannt hatte. Die einst engen diplomatischen und militärischen Beziehungen zwischen beiden Ländern haben sich in den vergangenen fünf Jahren erheblich verschlechtert.

"Verbrechen gegen die Menschlichkeit"

Davutoglu sagte, die Bombardierung des Gazastreifens und der Angriff auf einen von der Türkei geführten Hilfskonvoi für das abgeriegelte Palästinenser-Gebiet im Jahr 2010, bei dem zehn Türken getötet worden, stehe auf einer Stufe mit den Anschlägen von Paris. In diesen Attentaten wurden vergangene Woche 17 Menschen getötet, darunter vier französische Juden in einem jüdischen Supermarkt. "So wie das Massaker von Paris, das Terroristen verübt haben, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, so hat Netanyahu, der Chef der Regierung, die am Strand spielende Kinder bei der Bombardierung von Gaza tötet (...) und die unsere Bürger auf einem Schiff mit Hilfsgütern in internationalen Gewässern abschlachtet, Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt", sagte Davutoglu.

Außerdem kritisierte Davutoglu die türkische Zeitung "Cumhuriyet", die die Mohammed-Karikatur der ersten "Charlie-Hebdo"-Ausgabe nach dem Anschlag abdruckte. Die Pressefreiheit erlaube nicht die Beleidigung religiöser Werte, sagte Davutoglu. Blasphemie wird in der Türkei mit Gefängnis bestraft.

(APA/dpa)