handelsblatt.com, 17.01.2015

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Kurden gegen Assads Truppen

Neue Front im syrischen Bürgerkrieg

Zwischen syrischen Regierungstruppen und kurdischen Milizen ist es am Samstag offenbar zu Gefechten gekommen. Bisher gab es eine stillschweigende Waffenruhe – im Kampf gegen den IS. Die Eskalation könnte Kreise ziehen.

Diyarbakir, Beirut, DüsseldorfIn Syrien sind am Samstag Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Kurden-Milizen ausgebrochen. In dem überwiegend von Kurden bewohnten Nordosten Syriens sei es zu heftigen Gefechten gekommen, teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Damit brachen beide Seiten eine stillschweigende und bisher weitgehend eingehaltene Vereinbarung, sich auf andere Feinde wie etwa die Extremistengruppe Islamischer Staat zu konzentrieren. Auslöser der jüngsten Kämpfe war den Beobachtern zufolge, dass Regierungssoldaten die Kontrolle über Gebäude in einer neutralen Zone übernahmen. Inzwischen werde in mehreren Teilen der Stadt Al-Hasaka gekämpft, die die Kurden-Miliz YPG und Assad-Truppen zuvor unter sich aufgeteilt hätten.

Syriens staatliche Medien berichteten zunächst nicht über die Zusammenstöße. Regierungsvertreter in Damaskus und ein YPG-Sprecher waren nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Bereits früher war es gelegentlich zu Scharmützeln zwischen der Kurden-Miliz und Regierungssoldaten gekommen, doch nicht zu anhaltenden Kämpfen. Mit diesen Gefechten entsteht eine neue Front in dem immer unübersichtlicher werdenden Bürgerkrieg. Seit Ausbruch des Konflikts zwischen Aufständischen und den Truppen von Präsident Baschar al-Assad im März 2011 wurden nach UN-Angaben rund 200.000 Menschen getötet.

Angesichts der überraschenden Eskalation droht womöglich auch außenpolitische Brisanz. Kurdischen Truppen im Nordirak wurden von westlichen Staaten, darunter Deutschland, im Kampf gegen den IS mit Waffen ausgerüstet. Es ist unklar, ob diese Waffen in den Kämpfen in Syrien überhaupt eine Rolle spielen. Allerdings hatte erst unter der Woche ein Bericht des ARD-Nachrichtenmagazins „Monitor“ für Aufsehen gesorgt. Dem Bericht zufolge sei es für die Bundeswehr unmöglich nachzuvollziehen, bei welchen kurdischen Einheiten das Material letztlich landet. „Wir haben keine Kenntnisse über die einzelnen Bataillone oder gar Kompanien, wo die Waffen sich befinden“, sagte Oberstleutnant Torsten Stephan dem ARD-Magazin. Die Uno hat sich bisher gegen ein Mandat und somit die Intervention im syrischen Bürgerkrieg ausgesprochen. Ein unfreiwilliger Einsatz westlicher Waffen böte der syrischen Regierung reichlich diplomatische Angriffsfläche.

Auch ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ könnte angesichts der aufflammenden Kämpfe zwischen Kurden und Assad-Truppen eine heikle Wendung bekommen. Demnach belegen von Hackern veröffentlichte Dokumente, dass die Türkei heimlich die syrische al-Qaida mit Waffen versorgt – im Kampf gegen die Kurden.

Mehr Waffen für Peschmerga?

Die Kurden im Nordirak fordern mehr deutsche Waffen für ihren Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer (IS) Staat. „Wenn wir den Kampf gegen den IS nicht fortführen, dann werden Attentate wie in Frankreich täglich wiederholt“, sagte der kurdische Generalmajor Asis Wejsi am Montag bei einem Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in einem Peschmerga-Camp nahe Erbil. Die bisherige Unterstützung sei nur ein „Tropfen im Meer“.

Die Ministerin zeigte sich für weitere Lieferungen offen. Auch die SPD-Verteidigungsexperten signalisierten Zustimmung. Deutschland hat bereits mit Waffen im Wert von 70 Millionen Euro etwa 10 000 Peschmerga-Kämpfer ausgerüstet. Die Kurden fordern vor allem mehr panzerbrechende Waffen, Minenräumgeräte und Munition.

Von der Leyen will das nun prüfen und innerhalb der Bundesregierung abstimmen. „Wir wissen, dass die Peschmerga nicht nur für ihr Land einstehen, sondern für uns alle einstehen“, sagte sie. „Ich glaube, es ist richtig, mit großer Aufmerksamkeit hier auch die Unterstützung sehr klug auch weiter einzusetzen.“

Die Waffenlieferungen an die Kurden sind hoch umstritten, weil sie gegen den bisherigen Grundsatz verstoßen, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern. Nur für Israel wird schon lange eine Ausnahme gemacht. Die SPD-Verteidigungsexperten Hans-Peter Bartels und Rainer Arnold zeigten sich aber offen für eine weitere Aufrüstung der Kurden. Falls es Bedarf gebe, könnten auch panzerbrechende Waffen in kleineren Tranchen nachgeliefert werden, sagte Arnold der Deutschen Presse-Agentur.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte zuletzt erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den geplanten Irak-Einsatz der Bundeswehr. Die rechtliche Herleitung in dem von der Regierung vorgelegten Mandat habe „keine verfassungsrechtliche Grundlage“, heißt es in einem 15-seitigen Gutachten.

Reuters/dpa/alm