Der Standard, 20.01.2015

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Hisbollah droht Israel nach Angriff in Syrien

Ben Segenreich aus Tel Aviv

Luftschlag auf Kämpfer der Organisation nahe Golan – Auch iranischer General getötet

Ein offenbar von Israel im südsyrischen Bezirk Kunetra ausgeführter Luftschlag, durch den sechs Hisbollah-Kämpfer getötet wurden, könnte sich zur gefährlichsten Konfrontation mit der libanesischen Schiitenmiliz seit dem Libanonkrieg von 2006 entwickeln. Die Hisbollah hat dabei nicht nur schmerzhafte Verluste erlitten, sondern ist auch in eine peinliche Situation geraten, weil sie eingestehen musste, dass sie im syrischen Golangebiet operiert.

Kompromittiert ist auch der Iran, der am Montag mitteilte, dass ebenso der iranische General Mohammad Ali Allahdadi unter den Toten ist. Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif warf Israel "Staatsterrorismus" vor, den er "heftig verurteilt". Hisbollah-nahe Medien meldeten, dass eine Reaktion auf den Angriff "sehr nahe" sei. Aus Israel gab es keine offizielle Stellungnahme.

Schlag gegen Symbolfigur

Ein israelischer Hubschrauber soll am Sonntag auf der von Syrien kontrollierten Seite der Golanhöhen zwei Raketen auf einen Fahrzeugkonvoi abgefeuert haben. Syrische Medien meldeten zunächst sechs Tote, und die Hisbollah bestätigte, dass sie mehrere Männer verloren habe. Der prominenteste von ihnen war der etwa 25-jährige Jihad Mughniyah, der Kommandant der "Golan-Division" der Hisbollah gewesen sein soll. Zugleich war er eine Art Symbolfigur der Organisation, denn er war ein Sohn von Imad Mughniyah, jenem Hisbollah-"Generalstabschef", der 2008 in Damaskus durch eine Autobombe getötet wurde.

Die Hisbollah wird im Libanon dafür kritisiert, dass vermutlich Hunderte ihrer Milizionäre im syrischen Bürgerkrieg für Präsident Bashar al-Assad kämpfen. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte aber zuletzt bestritten, dass seine Leute im Golangebiet aktiv wären. Aus Israels Sicht war die Anwesenheit Mughniyahs ein Beweis dafür, dass die Hisbollah, die im Libanon ein Arsenal von 100.000 Raketen angesammelt habe, "ihre Infrastruktur verbreitern" will. "Im südlichen Syrien gibt es ein Vakuum", sagte Amos Gilad, hoher Beamter im Verteidigungsministerium. "Dort ist die Al-Kaida eingedrungen, unter dem Namen al-Nusra, sowie die Hisbollah mit Unterstützung der Iraner, um die Option einer zusätzlichen Front gegen Israel zu schaffen."

Anklage in Israel

In Israel selbst wurden indes am Sonntag sieben arabische Bürger unter dem Vorwurf angeklagt, eine Zelle der in Syrien und im Irak tätigen Terrorgruppe "Islamischer Staat" gebildet zu haben. "Kommandant" soll ein 40-jähriger Anwalt aus Nazareth gewesen sein, der in der Vergangenheit ein Bediensteter der israelischen Justizbehörden war. Die anderen Angeklagten sind zwischen 22 und 30 Jahre alt. Laut Anklage hatten sie via Internet Kontakt zu Jihadisten und wollten sich Waffen beschaffen, um im Namen der IS-Miliz Anschläge zu verüben.

Einer der Männer wurde am Flughafen verhaftet, als er nach Syrien reisen wollte. Sie sollen Brandbomben gebastelt und an Schafen das "Schlachten" von Menschen trainiert haben. In einem vor Monaten aufgenommenen TV-Interview sagte der verdächtige Anwalt, jeder "Mörder" müsste "ermordet werden, wenn möglich durch Schlachten, sonst durch Erschießen". (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 20.1.2015)