Die Presse, 21.01.2015

http://derstandard.at/2000010668097/Tuerkei-Kein-Korruptionsprozess-gegen-Ex-Minister

Türkei: Erneut Razzien gegen Erdogans Kritiker

Die türkische Polizei erließ Haftbefehle gegen 28 Anhänger des regierungskritischen Predigers Gülen.

Istanbul. Die Regierung Erdogan holte zum neuen Schlag gegen ihre Gegner aus: Die türkische Polizei ist laut Medien erneut gegen mutmaßliche Anhänger des regierungskritischen Predigers Fethullah Gülen vorgegangen. Die Razzien in vier Provinzen – darunter Ankara – stünden im Zusammenhang mit unerlaubten Mitschnitten von Telefongesprächen, hieß es. Es seien Haftbefehle gegen 28 Mitarbeiter der Telekombehörde TIB und des Wissenschafts- und Technologierats Tubitak ausgestellt worden, der die Regierung in Forschungsfragen berät.
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„CNN Turk“ nannte die Durchsuchungen „ein Vorgehen gegen Parallelstrukturen“. So bezeichnet Präsident Recep Tayyip Erdogan die Anhänger Gülens in Polizei, Justiz und anderen staatlichen Institutionen. Im türkischen Amtsblatt wurde zudem die Neubesetzung von Polizeichefs in 21 Provinzen bekannt gegeben. Der Grund dafür war zunächst nicht bekannt.


Stärkere Internetkontrolle

Erdogan beschuldigt den seit 1999 im US-Exil lebenden Gülen, einen Putsch zu betreiben. Er wirft Anhängern seines einstigen Verbündeten, die in der Polizei oder Justiz tätig sind, unter anderem vor, tausende Telefonate abgehört und die Aufnahmen als Teil eines gegen ihn inszenierten Korruptionsskandals lanciert zu haben. Gülen weist die Vorwürfe zurück. Die Regierung ging zuletzt gegen tausende mutmaßliche Anhänger des Geistlichen in Justiz, Polizei und den Medien vor.

Der Staatschef festigt auch in anderen Bereichen seine Macht: So nahm das Parlament einen Gesetzentwurf für schärfere Internetkontrollen an. Demnach dürfen Behörden Seiten auch ohne richterlichen Beschluss sperren. Am Montag leitete der Präsident erstmals seit seiner Wahl zum Staatschef eine Kabinettssitzung – obwohl der Präsident in der Türkei vorwiegend eine repräsentative Funktion hat. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)