Kölnische Rundschau, 1.2.2015

Vom IS befreite syrische Stadt
Auferstehen aus Ruinen

Die Stadt haben die Kurden zurückerobert - doch der Preis dafür ist extrem hoch. Die schwere Artillerie der Extremisten, die Kämpfe in den Straßen und die Luftschläge der internationalen Koalition haben weite Teil der Stadt in eine Trümmerwüste aus Stein und Geröll verwandelt. Ganze Viertel sind dem Erdboden gleich gemacht worden.
Und dann sind da noch die Verletzungen, die der Krieg in den Seelen der Menschen hinterlassen hat. Tausende Zivilisten harrten während der Kämpfe in der Stadt aus, darunter Familien mit Kindern, sogar mit Babys. „Wir haben alle unter den Kämpfen gelitten“, sagt Dr. Ahmad. „Der Krieg hat viele Kinder traumatisiert.“

Wie die gesamte Stadt lebt der 45-Jährige im Ausnahmezustand, seitdem die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor vier Monaten ihren Angriff auf Kobane begonnen hat. In heftigen Kämpfen haben die Kurden zwar die Stadt endgültig befreit - im Umland aber tobt der Krieg weiter. Er lässt Dr. Ahmad und den anderen Ärzten noch immer kaum eine ruhige Minute.
Der Mediziner hat viel erleben müssen in den vergangenen Monaten. Splitter im Gesicht, Kugeln im Körper, Kämpfer, die unter seinen Händen wegstarben, weil er nicht helfen konnte.
Rufe nach einem „humanitären Korridor“

Jetzt versuchen die Kurden, in den Trümmern zu überleben. Die Strom- und Wasserversorgung ist zusammengebrochen, die Infrastruktur vernichtet. Es gibt keine Geschäfte, keine Märkte, keine Restaurants, sondern nur Zerstörung. Die Kurden rufen deshalb nach einen „humanitären Korridor“, der die Stadt mit dem Wichtigsten versorgen soll - eine Forderung, die sich vor allem an die Türkei richtet. Was immer Kobane braucht, muss von dort kommen, weil die Stadt ansonsten noch immer vom IS umzingelt ist.

Doch in Kobane ist immer wieder zu hören, die Türken ließen kaum Hilfe in die Stadt. Vier Wochen hätten die türkischen Behörden einen neuen Krankenwagen an der Grenze festgehalten, erzählt Martin Glasenapp, der es auch in die Stadt geschafft hat. Er arbeitet für die Hilfsorganisation Medico International in Deutschland, die das Fahrzeug besorgt hat. Erst Ende dieser Woche sei es in die Stadt gelassen worden. „Alle hier hoffen dringend, dass die Grenze aufgemacht und das Embargo gelockert wir“, sagt Glasenapp. Kurden-Sprecher Idriss Nassan warnt vor einer „humanitären Katastrophe“, sollte nicht schnell Hilfe in die Stadt kommen.

Ohne Hilfe von außen wird der Wiederaufbau Kobanes unmöglich sein. Tausende Menschen haben alles verloren, was sie sich in ihrem Leben aufgebaut haben - so wie Amar Bakar, 37 Jahre alt, Fahrer bei der Feuerwehr. Er ist an diesem Nachmittag in das Viertel gekommen, das mal seins war, um das Haus zu sehen, das er sich gebaut hat.

20 000 Dollar habe es gekostet, erzählt er, viel Geld für eine arme Stadt wie Kobane. Einziehen aber konnte Amar Bakar mit seiner Familie in das Haus nie, weil vorher der IS über die Stadt herfiel.
Jetzt sind die Mauern zerschossen. Dort, wo einmal Wände standen, liegen Sandsäcke übereinander gestapelt - in Amar Bakars Haus muss heftig gekämpft worden sein. Unterkriegen lassen will sich der Feuerwehrmann dennoch nicht: „Wir haben zwar alles verloren, aber wir haben unsere Stadt wieder“, sagt er. (dpa)

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