Neue Zürcher Zeitung, 30.1.2015

Kurden fordern Elitetruppen
IS-Angriff im nordirakischen Kirkuk
Inga Rogg, Istanbul 30.1.2015, 20:25 Uhr


Von mehreren Seiten haben Kämpfer des Islamischen Staats die Erdölstadt Kirkuk angegriffen. Die Kurden, die Kirkuk beanspruchen, drängen auf eine Ausweitung des Einsatzes der Anti-IS-Koalition.

Die Niederlagen im syrischen Kobane und an mehreren Orten im Irak haben die Extremisten des Islamischen Staats (IS) offensichtlich nicht zermürbt. Gleich an mehreren Fronten griffen sie am Freitag Stellungen der Kurden im Nordirak an. Dabei kam es zu schweren Gefechten zwischen den Extremisten südlich von Kirkuk und Einheiten der Peschmerga, wie die Kurden ihre Kämpfer nennen.
Serie von Anschlägen

Der Angriff mit Überfällen auf Peschmerga-Stellungen geschah in vier Ortschaften südlich und südwestlich von Kirkuk. In den Kämpfen wurden Brigadegeneral Sherko Fatah, einer der erfahrensten kurdischen Kommandanten, und acht Peschmerga getötet. Später sprengten die Extremisten im Zentrum der Erdölstadt eine Autobombe in die Luft und brachten zeitweise das ehemalige Luxushotel der Stadt in ihre Gewalt. Das Hotel steht zwar seit Jahren leer, aber das Sicherheitsaufgebot in der Gegend ist stark. Direkt daneben befindet sich das Hauptquartier der Polizei, und nicht weit entfernt ist das Hauptquartier der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), das durch einen Kordon von PUK-Peschmerga geschützt wird.

Die Extremisten griffen auch Peschmerga-Stellungen westlich und südlich von Erbil an, und ein Selbstmordattentäter sprengte sich an einem kurdischen Checkpoint in Jalaula nahe der irakisch-iranischen Grenze südöstlich von Kirkuk in die Luft. Dabei wurden sieben Peschmerga getötet.

Zudem erschütterten mehrere Bombenanschläge und Mörserangriffe die irakische Hauptstadt und die rund 120 Kilometer entfernt gelegene Stadt Samarra. Zwei Bombenanschläge auf einen Markt im Zentrum und die Granatwerfer-Einschläge in zwei Quartieren im Nordwesten von Bagdad hätten nach offiziellen Angaben 44 Tote gefordert, berichtete der Fernsehsender «Sumeria». Dem Selbstmordanschlag auf einen Checkpoint in Samarra fielen laut den Behörden sieben Polizisten und schiitische Milizionäre zum Opfer.
Regionale Strategie

Unterstützt durch amerikanische Luftangriffe gelang es den Kurden, die IS-Angriffe südlich von Kirkuk und nahe Erbil zurückzuschlagen. Damit lasse sich der IS aber allenfalls eindämmen, sagte Nechirvan Barzani, Ministerpräsident des kurdischen Teilstaats im Nordirak. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters forderte er eine regionale Strategie im Kampf gegen die Extremisten. Insbesondere müsse die Grenze zwischen dem Irak und Syrien abgeriegelt werden. Ohne eine Strategie für Syrien sei es schwierig, den IS zu vernichten, so Barzani. Darüber hinaus forderte er von den Verbündeten schwere Waffen für die Kurden sowie den Einsatz von Spezialeinheiten aufseiten der Peschmerga.

Dabei machte Barzani auch deutlich, dass es für die Kurden vor allem um die Einnahme der von ihnen beanspruchten Gebiete – sowohl um Mosul wie Kirkuk – geht. Dies und die von schiitischen Milizionären verübten Verbrechen tragen freilich dazu bei, dass es unter den Sunniten nur wenig Widerstand gegen den IS gibt. Vor wenigen Tagen sollen schiitische Milizionäre in zwei Dörfern nordöstlich von Bagdad mehr als 70 sunnitische Zivilisten ermordet haben. Die irakische Regierung hat daraufhin eine Untersuchung versprochen.