Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2015

http://www.nzz.ch/international/europa/die-tuerkei-evakuiert-hunderte-jahre-alte-gebeine-1.18488537

Militäroperation in Syrien

Die Türkei evakuiert Hunderte Jahre alte Gebeine

Inga Rogg, Istanbul

Die Türkei hat eine Exklave in Syrien geräumt. Diese war von den Extremisten des Islamischen Staats umstellt. Dabei zogen die Soldaten durch das von den Kurden kontrollierte Kobane.

In einer grossangelegten Militäroperation hat die Türkei in der Nacht auf Sonntag Dutzende von Soldaten aus Syrien evakuiert und ein osmanisches Mausoleum geräumt, das diese bewacht hatten. Flankiert vom türkischen Generalstabschef und vom Verteidigungsministerium, trat Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Sonntagmorgen vor die Fernsehkameras und verkündete den erfolgreichen Abschluss des Militäreinsatzes.

Vom IS umstellt

An der Operation in Syrien waren laut Davutoglu 557 Soldaten beteiligt, die von 39 Panzern und 57 gepanzerten Militärfahrzeugen sowie Kampfjets und Helikoptern unterstützt wurden. Ein Soldat sei bei einem Unfall getötet worden. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, er habe den Militäreinsatz persönlich überwacht. Kein einziger Schuss sei abgefeuert worden. Regierungsnahe Medien feierten den erfolgreichen Abschluss wie den Sieg in einer grossen Schlacht. Dabei hat er aber wohl eher politische Bedeutung.

Das am Sonntag zerstörte Mausoleum beherbergte die Gebeine von Süleyman Şah, dem Grossvater des Begründers des Osmanischen Reichs. Es ist gemäss einem Vertrag aus dem Jahr 1921 türkisches Territorium. Die Regierung in Damaskus bezeichnete den türkischen Truppeneinsatz als eine ungeheuerliche Aggression.

Vergangene Woche hatte sich Ankara nach langem Tauziehen mit Washington auf die Ausbildung von mehreren tausend syrischen Rebellen geeinigt. Zwar sollen diese nach türkischer Darstellung auch gegen das Regime von Bashar al-Asad kämpfen, aber vor allem sollen sie die Reihen gegen den IS stärken. Mit der Räumung der Exklave verlieren die Extremisten, die im vergangenen Jahr im irakischen Mosul 48 türkische und irakische Konsulatsmitarbeiter als Geiseln genommen hatten, ein wichtiges Druckmittel gegenüber der Türkei.

Test für die syrischen Kurden

Die Militäroperation erfolgte grossteils über ein Gebiet, das von Kämpfern der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) kontrolliert wird. Die Panzer rollten in der Samstagnacht über den Grenzübergang bei Suruc nach Kobane, wo die YPG Ende Januar die Schlacht gegen den IS gewonnen hatten. Die Türkei habe die Behörden in der Region und die Verbündeten der Anti-IS-Koalition informiert, sagte Davutoglu. Eine direkte Kooperation dementierte der Ministerpräsident jedoch.

Vertreter der YPG erklärten hingegen, der türkische Militäreinsatz sei in Abstimmung mit ihren politischen Vertretern erfolgt. Ohne diese wäre die Operation nicht möglich gewesen, sagte Idriss Nazan, aussenpolitischer Repräsentant der Kobane-Verwaltung. Die Gebeine von Süleyman Şah haben die Soldaten in ein Dorf nahe der türkischen Grenze bei Suruc verlegt. Dieses Gebiet wird ebenfalls von der YPG kontrolliert.