junge Welt, 25.02.2015 https://www.jungewelt.de/2015/02-25/051.php »Zentrum schätzungsweise zu 80 Prozent zerstört« 134 Tage ununterbrochene Gefechte in Kobani haben das reinste Trümmerfeld hinterlassen. Ein Gespräch mit Asya Abdullah Interview: Leylan Uca Asya Abdullah ist Kovorsitzende der Partei der Demokratischen Union PYD Was hat sich nach dem Kampf der Volksverteidigungseinheiten YPG und der Frauenselbstverteidigungskräfte YPJ gegen die Terrormiliz IS um Kobani für Sie verändert? Als Kobani befreit wurde, war es für jeden ein Neuanfang, denn lange hieß es, dass die Stadt fallen wird. Dieser Widerstand hat gezeigt, dass das System, welches die Terrormiliz »Islamischer Staat« erschaffen will, verloren ist. Das ist eine sehr wichtige Nachricht. Solange es den IS im Kanton Kobani gibt, werden Kurden diesen Widerstand führen. Die Befreiung Kobanis war ein Moment starker Emotionen, denn diese Menschen haben hier alles durchlebt. Sowohl den Widerstand als auch Trauer und Beerdigungen von Märtyrern. Es gab Hunderte Gefallene und Verletze der kurdischen Einheiten. Und so etwas prägt. Gibt es schon eine genaue Bilanz der Schäden? Überall dort, wo der IS präsent ist, ist das Leben der Menschen gefährdet. Die Kultur der Ausrottung und Zerstörung zeigt sich auch daran, dass IS-Kämpfer Wohnungen, die sie besetzt hatten und wegen des Widerstands der YPG nicht halten konnten, zerstört und verbrannt haben. Das Zentrum von Kobani wurde schätzungsweise zu 80 Prozent zerstört, so auch die Depots, die zur Vorbeugung für die Menschen errichtet wurden, alle gesellschaftlichen Institutionen, wie die Stadtverwaltung, Kulturstätten, das Wasserwerk, Ausbildungsstätten und Schulen. Tausende Menschen, die die Stadt verlassen hatten und wieder kommen werden, stehen vor dem Nichts. Der Kanton Kobani hat Komitees gegründet, die damit angefangen haben, Bilanzen der Zerstörung zu verfassen. Auch wird eine Statistik erstellt, wie viele Menschen zurückkehren, wie und wo sie untergebracht sind und zukünftig untergebracht werden können. Was sind die drängendsten Fragen? Ein großes Problem stellt die Wasserversorgung dar. Schon zwei Jahre vor dem Angriff auf Kobani hatte der IS die Wasserversorgung gestoppt. Und nun haben sie auch die Infrastruktur, die der Kanton Kobani für die Bevölkerung errichtet hatte, komplett zerstört. Wie schon länger bekannt ist, gibt es auch das Problem der medizinischen Versorgung. Des weiteren müssen für die Menschen, die zurückkehren werden, Unterkünfte errichtet und die täglichen Bedürfnisse befriedigt werden. Was werden Sie nun machen? Dadurch, dass es dem Kanton an Technischem fehlt, sind die Möglichkeiten begrenzt. Ehrlich gesagt bedarf es hier der internationalen Unterstützung, denn fünf Monate lang war Kobani unter Beschuss schwerer Waffen. Es gibt in Kobani ein Viertel, welches unter der Kontrolle der Volksverteidigungseinheiten YPG war und nicht zerstört wurde. Dieses Viertel reicht für etwa 1.500 Familien, ist aber jetzt schon von den Zivilisten gefüllt, die die ganze Zeit über in Kobani waren. Nach und nach kehren aber mehr Menschen zurück, die eine Bleibe brauchen. Welche Transportwege können für den Wiederaufbau genutzt werden? Ein Korridor von der Türkei aus ist immer noch die einzige Möglichkeit. Außerhalb Kobanis sind alle arabischen Orte und Routen unter der Kontrolle des IS. Selbst unsere drei Kantone sind durch den IS voneinander abgegrenzt. Die Türkei hat zum Zeitpunkt des Angriffs auch keinen Korridor geöffnet. Wieso sollte das jetzt passieren? Dieser Korridor ist die Grundlage für den Wiederaufbau von Kobani und muss unter der Kontrolle der internationalen Gemeinschaft stehen. Tausende Menschen werden zurückkehren. Wie sollen sie denn leben können – oder wovon sollen sie leben? Für den Neuaufbau von Kobani muss alles von außerhalb importiert werden. Neben einem Korridor für Zivilisten, muss in kurzer Zeit sogar ein gesonderter Korridor hauptsächlich für den Transport eröffnet werden, bei dem der Übergang 24 Stunden gewährleistet ist. Wir hoffen, dass die Internationale Gemeinschaft, internationale Kräfte und auch die Menschenrechtsorganisationen uns hier unterstützen.
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