Telepolis, 25.02.2015

http://www.heise.de/tp/news/Tuerkei-IS-Werber-setzen-Fluechtlinge-unter-Druck-2558914.html

Türkei: IS-Werber setzen Flüchtlinge unter Druck

Wolfgang Pomrehn

Angehörige eines ermordeten Exil-Tschetschenen machen daruf aufmerksam, dass das Opfer sich mit Islamisten angelegt hatte, die Kämpfer für den IS werben

Auf Seiten des sogenannten Islamischen Staates (IS) kämpfen in Syrien nicht nur Europäer, sondern auch zahlreiche Kaukasier und Bürger der zentralasiatischen Republiken. Peter Lee, der regelmäßig auf Asia Times online über die dortige Region schreibt, berichtet auf seinem Blog "China Matters", dass es bisher keine Hinweise auf Uiguren aus Chinas westlicher Unruhe-Provinz Xinjiang in den IS-Reihen gäbe. Allerdings befürchtet er, dass Exil-Uiguren in der Türkei für den IS angeworben werden könnten. Bisher sei aber lediglich von einem chinesischen Bürger, einem Hui, bekannt, dass er sich dem IS angeschlossen habe.

Die Huis bilden eine über ganz China verteilte moslemische Minderheit, die die gleiche Sprache wie die Mehrheitsgesellschaft spricht. Bei den Uiguren handelt es sich hingegen um eine turk-sprachige nationale Minderheit im Westen des Landes, die überwiegend dem Islam anhängt. Die türkische Führung versteht sich als Schutzmacht für die Turk-Völker Zentralasiens und bietet Exil-Uiguren einen sicheren Hafen.

Offensichtlich bildet die Türkei aber zugleich für viele der internationalen Dschihadisten nicht nur das Transitland, sondern fungiert auch sozusagen als Durchlauferhitzer. Al-Monitor, eine prominente Nachrichtenplattform für den Nahen Osten, schreibt, dass in der Türkei unter den dort lebenden tschetschenischen Emigranten massiv IS-Kämpfer angeworben würden. Die meist muslimischen Tschetschenen, die vor dem Bürgerkrieg in ihrer zur Russischen Föderation gehörenden nordkaukasischen Heimat geflohen sind, werden von den türkischen Behörden in der Regel geduldet, haben aber keinen gesicherten Aufenthaltstitel. Sie leben also meist in der ständigen Angst vor Abschiebung.
"Nicht alle Tschetschenen gehen freiwillig nach Syrien. Einige gingen gegen ihren Willen. Sie werden vor die Alternative Syrien oder Abschiebung gestellt. (…) Personen, die persönlich einem derartigen Druck ausgesetzt wurden, berichten in vertraulichen Gesprächen, wie ihnen gewisse Personen entsprechende Botschaften überbracht haben."
Abrek Onlu laut Al-Monitor

Onlus Onkel Medet Onlu – in der Türkei geboren, aber tschetschenischer Abstammung - war einer der Sprecher der tschetschenischen Gemeinde in der Türkei, bevor er im letzten Jahr in seinem Büro in Ankara ermordet wurde, berichtet Al-Monitor. Die Polizei ging zunächst davon aus, dass hinter dem Anschlag ein russischer Geheimdienst stecken könnte.

Doch jetzt hat die Familie die Behörden aufgefordert, auch in Richtung IS-Unterstützer zu ermitteln. Onlu war zwar ein tschetschenischer Nationalist habe sich aber für einen moderaten Islam ausgesprochen und die IS-Anwerbeversuche öffentlich bekämpft. In dem Bericht wird nicht näher bezeichneten islamischen NGOs vorgeworfen, ihren Einfluss unter den Tschetschenen innerhalb und außerhalb der Flüchtlingslager für die Rekrutierung von IS-Söldnern auszunutzen.