spiegel.de, 02.03.2015

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Pressefreiheit in der Türkei: Polizei nimmt Investigativreporter fest

Die türkische Justiz geht gegen den investigativen Journalisten Mehmet Baransu vor. Der Vorwurf: Geheimnisverrat. Er hatte Putschpläne gegen die Regierung öffentlich gemacht.

Istanbul - In der Türkei ist der bekannte Enthüllungsjournalist Mehmet Baransu erneut festgenommen worden. Dem Mitarbeiter der regierungskritischen Tageszeitung "Taraf" wird die Gründung einer kriminellen Vereinigung und Geheimnisverrat vorgeworfen.

Zwölf Stunden lang untersuchten Einheiten der Anti-Terror-Polizei das Haus des Journalisten in Istanbul. Die Staatsanwaltschaft hat Haftbefehl beantragt. Schon in den vergangenen Monaten war Baransu mehrfach festgenommen worden. Im Mai vergangenen Jahres forderte die türkische Justiz wegen der Veröffentlichung eines geheimen Dokuments 52 Jahre Haft für den investigativen Journalisten.

Baransu ging mit seiner Festnahme sarkastisch um. Den Vorwurf, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben, parierte er mit dem Satz, er sei das einzige Mitglied dieser angeblichen Gruppe.

Baransu galt einst als Anhänger des türkischen Präsidenten und ehemaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seine Enthüllungen über Putschpläne des Militärs gegen die Regierung trugen seit 2010 dazu bei, Hunderte Offiziere zu verurteilen und die kemalistische Elite zu entmachten. Aufgedeckt hat der Reporter auch das Vorgehen von Erdogan gegen Anhänger der Gülen-Bewegung. Das brachte ihm von Erdogan den Vorwurf des "Verräters" ein.

Die erneute Festnahme steht im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Generäle im sogenannten Balyoz-Prozess ("Vorschlaghammer"). Das Verfassungsgericht hatte die Urteile gegen mehr als 230 mutmaßliche Putschisten aufgehoben, da deren Rechte auf ein faires Verfahren verletzt worden seien. Baransu hatte seinerzeit der Staatsanwaltschaft Dokumente übergeben, die die Putschpläne beweisen sollten.

In der Türkei geraten Journalisten immer wieder in das Visier der Justiz. In den vergangenen Monaten wurden gegen mehrere regierungskritische Journalisten Ermittlungen begonnen, unter anderem wegen Beleidigung des Staatspräsidenten Erdogan.