Neues Deutschland, 13.03.2015

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Von René Heilig

Irak hofft auf NVA-Panzer

Wie Deutschland per Genehmigung Waffen in Kriegsgebiete verschickt

Es ist 25 Jahre her, dass die DDR und ihre Nationale Volksarmee (NVA) verschwanden. Doch noch heute vagabundieren deren Waffensysteme. Demnächst landen wieder einige in Irak.

Die irakische Regierung braucht Waffen und militärisches Gerät. Unter anderem Panzer und Schützenpanzer. Die tschechische Waffenfirma »Excalibur Army«, die ihre Werkstätten vor allem in Pardubice hat, lieferte bereits T 72-Panzer. Nun sollen nach Bagdads Willen Schützenpanzer vom Typ BMP-1 folgen. Mindestens 280 Stück. Damit kann man schon einige Regimenter ausrüsten. Doch ohne Deutschlands Hilfe geht das nicht. Weshalb der irakische Ministerpräsident Haider Al-Abadi bei seinem Besuch in Berlin Anfang Februar auch - ohne dass daraus Schlagzeilen wurden - um die Unterstützung der Bundesregierung bat.

Das klingt einigermaßen verworren. Sicher ist, dass es in Deutschland - einige museale sowie »Fun-Schützenpanzer« für Freizeit-Tankisten ausgenommen - keine BMP-1 mehr gibt. Zu Zeiten der DDR hatte die NVA 1112 dieser Kampfmaschinen, die mit einer 73mm-Glattrohrkanone, einem MG sowie mit Panzerabwehr-Lenkraketen bewaffnet sind und neben der dreiköpfigen Besatzung noch acht Soldaten transportieren können.

Man erinnert sich an die Bilder: Anfang und Mitte der 90er Jahre waren riesige Flächen mit DDR-Panzertechnik zugestellt. Alles sollte für Hochöfen tauglich zerlegt werden. Schwerter zu Pflugscharen ... Friedensdividende ... Wer auf den Bildern von damals allerdings BMP-1 zu finden hofft, hat Pech. Noch bis 1994 hat die Bundeswehr eine ganze Reihe dieser Fahrzeuge - nach bestehenden Normen zu BMP-1A1-Ost umgebaut - selbst genutzt. Die wurden dann, so wie der große Rest zuvor, verscherbelt. Einige sollen nach Tschechien gelangt sein. Die meisten der NVA-Schützenpanzer waren in der CSSR gebaut worden. 165 gingen nach Finnland, mehrere hundert nach Schweden, wo sie unter der Bezeichnung Pansarbandvagn 501 genutzt wurden. Das skandinavische Land hat seit 2010 rund 350 der Kampfmaschinen nach Tschechien verkauft. Die Lager der »Excalibur«-Händler müssen übervoll sein.

500 BMP-1 hatte die Bundeswehr Anfang der 1990er Jahre nach Griechenland geschickt. In allen Fällen dieses Reexports sicherte sich Deutschland ein Mitspracherecht bei einem eventuellen Weiterverkauf zu. Weshalb Griechenland, als es 2005 36 BMP-1 und 2006 weitere 64 Ex-NVA-Schützenpanzer weiterverkaufte, auch das Okay in Berlin abholte.

Die 100 Kampfmaschinen gingen nach Irak. Es ist also gut möglich, dass die BMP-1, mit denen die Milizen des Islamischen Staates (IS) jetzt kämpfen, aus DDR-Beständen stammen. Denn der IS holte und holt sich seinen Nachschub aus den Depots der demoralisierten irakischen Armee.

Demnächst könnte es wieder Nachschub geben. Denn das Verteidigungsministerium, das bei dem BMP-Genehmigungsverfahren federführend ist, stellte auf »nd«-Nachfrage klar: »Die wirksame Abwehr der Terrormiliz ISIS und eine Stabilisierung des Irak liegen im deutschen und internationalen Interesse.« Diese Begründung war auch zu vernehmen, als man den Peschmerga-Kämpfern in Irak Waffen direkt aus Bundeswehrlagern zukommen ließ. Das Ministerium sagt nun nichtssagend weiter, der Reexportantrag werde »unter Abwägung aller Umstände, einschließlich einer Lagebeurteilung im Irak und der Frage der Endverbleibsicherung«, geprüft. Derzeit sei der Antrag »im ressortübergreifenden Abstimmungsprozess«, eine »abschließende Entscheidung ist bislang nicht getroffen«.

Inoffiziell hört man, dass es »kein Problem« mit der Genehmigung geben wird. Kein Problem? Da gibt es doch die »Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern«, in denen es heißt, dass Exporte »in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind«, nicht genehmigt werden. An diesen Grundsätzen orientiere sich die Bundesregierung bei der Prüfung von Reexportanträgen, »obwohl sich diese lediglich auf ›Rüstungsexporte‹ beziehen«, so das Verteidigungsministerium. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die exportkontrollpolitische Hauptverantwortung bei Tschechien und Bulgarien liegt. Beide Länder seien »wie Deutschland an die Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU zur Ausfuhr von Rüstungsgütern gebunden«. Und schon ist über diesen Umweg alles ausgehebelt, was den Rüstungsdeal möglicherweise behindert. Das gelte auch bei allen anderen Reexportanträgen, heißt es aus dem Bendler-Bock. In dem Ministerium wabert ein Gerücht, dass man auf dieser Weise auch die Ukraine unterstützt. Bestätigen wollte das jedoch kein Offizieller.