welt.de, 17.03.2015

http://www.welt.de/politik/ausland/article138504220/Dialog-mit-Assad-ist-wie-Hitler-die-Hand-schuetteln.html

Syrien

"Dialog mit Assad ist wie Hitler die Hand schütteln"

US-Außenminister Kerry verstört mit einem Verhandlungsangebot an Syriens Präsidenten sämtliche Verbündete – und seine eigene Regierung. Besonders drastische Worte findet der türkische Regierungschef.

Der amerikanische Außenminister John Kerry ist schuld. Er hatte in einem US-Fernsehinterview gesagt, am Ende müsse man mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad eben doch verhandeln, sofern Assad zu "seriösen Verhandlungen auf Basis der Genfer Vereinbarungen" bereit sei. Wie bitte? Monate, Jahre lang war doch die US-amerikanische Maxime, mit einem Mann, der Krieg gegen sein eigenes Volk führe, sei kein Dialog möglich. Assad habe jegliche Berechtigung verwirkt, weiterhin an entscheidender Stelle die Geschicke seines Volkes zu bestimmen.

Zwar versuchte die US-Regierung, ihren vorlauten Außenminister wieder einzufangen. "Jemand, der Zehntausende seiner eigenen Leute getötet hat, hat keine Berechtigung, in der Zukunft seines Landes eine Rolle zu spielen", stellte US-Außenamtssprecherin Jen Psaki in Washington noch einmal klar. Allerdings sei es notwendig, Vertreter des Assad-Regimes in Verhandlungen über eine politische Lösung des Syrien-Konflikts einzubeziehen.

Doch der Geist war aus der Flasche. Und der syrische Präsident freute sich. Nur das syrische Volk entscheide darüber, ob er im Amt bleibe. Äußerungen aus dem Ausland dazu interessierten ihn nicht, sagte Assad dem Staatsfernsehen. Arbeitet die Zeit für ihn? Ist er, je länger der Krieg gegen die islamistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) (Link: http://www.welt.de/138476187) dauert, in der Beurteilung und Realpolitik der Weltmacht doch das kleinere Übel?

Kerrys Äußerung, ob nun versehentlich getätigt oder mögliche Trendwende in der US-Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten, erschreckte die Verbündeten. Direkte Gespräche mit dem syrischen Machthaber seien so wie "Hitler die Hand schütteln", gab der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor Abgeordneten seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) in Ankara zu Protokoll. Der Premier nannte noch weitere Herren vom Kaliber Assads: Slobodan Milosevic, Radovan Karadzic, die Verbrecher der Balkankriege, und den Tyrann vom Tigris, Saddam Hussein.

Die Geschichte werde demjenigen nicht vergeben, der sich trotz der Massaker, die Assad begangen habe, mit ihm an den Verhandlungstisch setze und ihm die Hand gebe, sagte Davutoglu weiter.

Die Äußerungen stießen nicht nur in der Türkei, sondern auch bei Verbündeten wie Großbritannien und Frankreich auf Ablehnung. Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte in Brüssel, es wäre ein "absolut skandalöses, gigantisches Geschenk" an die Terrormiliz IS, wenn Assad nach dem Ende des Bürgerkrieges an der Macht bliebe. Die "einzige realistische Lösung" für den Syrien-Konflikt sei ein politischer Übergang, in den sowohl die Opposition als auch die Institutionen des Regimes mit einbezogen würden – aber eben nicht Assad selbst.
AFP/dpa/al