junge Welt, 23.03.2015

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Terror gegen Newroz-Fest

Dutzende Tote bei Anschlag in Rojava. Friedensbotschaft von PKK-Chef Abdullah Öcalan zum kurdischen Neujahr

Von Nick Brauns

Blutige Anschläge im Selbstverwaltungsgebiet Rojava im Norden Syriens überschatteten die diesjährigen Feierlichkeiten zu Newroz. Das Fest wird von Kurden und anderen Völkern des Nahen und Mittleren Ostens traditionell zu Frühlingsbeginn gefeiert. In der Großstadt Al-Hasaka am Rande des Selbstverwaltungsgebietes explodierten am Freitag abend zwei Bomben in einem kurdischen Stadtviertel, in dem sich die Anwohner zu Feiern versammelt hatten. Mindestens 45 Menschen – mehrheitlich Frauen und Kinder – wurden in den Tod gerissen. Die Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« (IS) bekannte sich nach Angaben des Senders Rudaw TV zu den Selbstmordattentaten.

In Rojava wurde eine dreitägige Trauer verkündet. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Anschläge. Einer der Sprengsätze war vor einem Büro der in dem Gebiet führenden Volksrätebewegung »Tev Dem« detoniert, während die andere Bombe vor einem Büro der Demokratischen Partei Kurdistans-Syrien (KDP-S) zündete. Die KDP-S ist ein Ableger der in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak regierenden KDP von Präsident Massud Barsani. In Suleimanija in der nordirakischen Autonomieregion beteiligten sich unterdessen Guerillakämpfer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) an einer Newroz-Parade von Peschmerga-Kämpfern – ein Symbol ihres gemeinsamen Kampfes gegen den IS.

Das diesjährige Motto für die von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) ausgerichteten Newroz-Feiern mit Millionen Teilnehmern in der Türkei lautete unter Bezugnahme auf die in Syrien und Nordirak vom IS befreiten Städte: »Das Newroz-Feuer, das in Sengal und Kobani brennt, wird den Nahen Osten befreien.« Höhepunkt war die Verlesung einer von der türkischen Presse bereits als »historisch« angekündigten Botschaft des inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan am Samstag vor über einer Million Menschen in der Metropole Diyarbakır. Unter dem Imperialismus seien in den vergangenen hundert Jahren die ethnischen Gruppen und Glaubensgemeinschaften im Nahen Osten im Rahmen einer »Teile-und-Herrsche-Strategie« in sinnlose Kriege gegeneinander gehetzt worden. Dazu gehöre auch der IS, »hervorgelockt von den imperialistischen Kräften, die ihre Bestrebungen im Nahen Osten nicht aufgegeben haben«, erklärte Öcalan. Doch nun habe der Kampf für die Geschwisterlichkeit der Völker und den Frieden eine historische Schwelle überschritten.

Zur von der türkischen Regierung erhofften Niederlegung der Waffen rief Öcalan nicht auf. Ein Ende des 40jährigen bewaffneten Kampfes gegen die Türkei käme auf die Agenda, wenn die Prinzipienerklärung für den Friedensprozess, die Regierungsvertreter und Parlamentarier der prokurdischen Opposition Ende Februar gemeinsam vorgestellt hatten, umgesetzt wird.

Nun müssten die vereinbarte Wahrheits- und Versöhnungskommission und eine Monitorgruppe zur Überwachung der bislang hinter verschlossenen Türen stattfindenden Friedensgespräche ihre Arbeit aufnehmen. Im Gegenzug könnte die PKK einen Sonderparteitag zur Neuausrichtung ihrer Strategie abhalten.

Zweifelhaft ist, ob die in Ankara regierende islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) ernsthaft einen Friedens- und Demokratisierungsprozess anstrebt oder nicht nur angesichts der Parlamentswahlen im Juni auf Zeit spielt. So erklärte Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan noch am Tag vor Newroz, er lehne die Monitorgruppe ab. Es handele sich lediglich um »persönliche Ansichten« des Präsidenten, versuchte Vizeministerpräsident Bülent Arınç anschließend diese Querschüsse herunterzuspielen.