General-Anzeiger, 23.03.2015

http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/bonn/bonn-zentrum/Fahnenmeer-mit-dem-Konterfei-Oecalans-article1594860.html

Newrozfest in Bonn

Fahnenmeer mit dem Konterfei Öcalans

Von CEM Akalin

BONN. Tausende Kurden haben am Samstag friedlich ihr Neujahrsfest gefeiert und ihre Solidarität mit dem inhaftierten PKK-Chef ausgedrückt.

Handyhüllen in den kurdischen Farben Grün, Rot, Gelb, Fahnen in allen Variationen und diverser kurdischer Gruppierungen, CDs mit Volksliedern oder türkischen Popstars, Literatur zum kurdischen Widerstand oder Shakespeare-Dramen in kurdischer Sprache. Die Stände rund um die große Rheinauen-Wiese gegenüber der Telekom-Zentrale am Landgrabenweg in Beuel geben dem Newroz-Fest einen Marktcharakter.

Große bunte Fotos von Helden, Soldatinnen, die die Kalaschnikow in den Sonnenuntergang halten, Fotos von Müttern mit ihren Kindern auf der Flucht. Die 14-Jährige entscheidet sich für die Soldatin im Sonnenuntergang. "Für mein Zimmer", sagt sie.

Die Holzkohle glüht. Es gibt Fladenbrot vom Grill, Döner oder Kavruma, eine Art Geschnetzeltes, Cig Köfte mit Zitrone, ganz viel Petersilie, Lauchzwiebeln und Salat und jede Menge anderer Köstlichkeiten. Und die Leute haben mächtig Hunger. So mancher ist schon die halbe Nacht unterwegs, um am Samstag beim zentralen Fest in Bonn teilnehmen zu können. Die Polizei schätzt, dass gut 17 000 Kurden aus ganz Deutschland angereist sind, die Veranstalter sprechen von 40 000. Tatsächlich ist die Wiese am frühen Samstagnachmittag gut gefüllt.

Laut Polizei stehen rund 130 Busse und 60 Autos auf dem Platz von Pützchens Markt. Die Veranstalter haben einen Shuttleservice von dort zur Rheinaue eingerichtet. Zeitweise kam es zu heiklen Situationen auf der Südbrücke, weil Busse an der Ramersdorfer Ausfahrt anhielten, um die Besucher des Fests einfach an der Autobahn aussteigen zu lassen.

Die Polizei vergrößerte daraufhin den abgesperrten Streifen. Der Rückreiseverkehr setzt etwas früher ein als geplant. Eigentlich läuft das Programm bis 18.30 Uhr, doch der Regen lässt den Rückreiseverkehr schon gegen 16 Uhr einsetzen.

Der Veranstalter, das "Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland", ist sehr zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung in der Rheinaue. "Es sind wesentlich mehr unserem Aufruf gefolgt, als wir erwartet haben", sagte Pressesprecherin Ayten Kaplan. Morgens schon traf man sich am Rheinufer unterhalb der Beethovenhalle.

Da einige Gemeinden bei ihrem Rundschreiben versehentlich die Beethovenallee angegeben hatten, irrten einige Busse in Bad Godesberg herum. Doch sonst laufen der Demonstrationszug und die Kundgebung in Beuel ohne Zwischenfälle ab, wie die Polizei bilanziert. Etwa 4000 beteiligen sich am Demonstrationszug, der über die Kennedybrücke und die Hermannstraße zur Beueler Rheinaue führt.

Zuvor hatte die Polizei die Veranstalter darauf hingewiesen, dass sie das Führen verbotener Symbole, etwa der PKK, nicht dulde. Daran hielten sich die Demonstranten weitgehend. Sie hielten Schilder mit Protesten gegen den "Islamischen Staat" (IS), Fahnen mit dem Konterfei des PKK-Führers Abdullah Öcalan, rote Fahnen mit Hammer, Sichel und Kalaschnikow oder die gelbe Fahne mit rotem Stern der PYD. Die jungen Leute, die die Fahnen schwenken, wissen nicht, was sie symbolisieren.

Die Halbkurdin Lisa, 23, aus Duisburg indes kennt sich gut aus. "PYD steht für Partiya Yekitîya Demokrat und ist eine der PKK nahestehende Partei aus Syrien", sagt sie. Sie kann einen Vortrag über alle Parteien und Gruppierungen halten. Sie selbst hält eine Fahne, auf der "Partizan" steht, eine türkisch-kommunistische Partei. "Und das Porträt, das die da drüben halten, ist das von Ivana Hoffmann. Sie war eine deutsche Kommunistin, die am 7. März im Kampf gegen den »Islamischen Staat« gefallen ist."

Junge Mädchen in Soldatinnenuniformen, Frauen in folkloristischen Trachten, es geht bunt zu auf dem Fest. "So bunt und vielfältig, wie die kurdische Kultur eben ist", erklärt Kaplan. Simon, 21, Aramäer, verteilt kurdische Hörbibeln auf CD, die Kurdische Moschee Bremen informiert ebenso wie Frauenverbände der Alewiten oder Yeziden.

Newroz ist einerseits das Neujahrs- und Frühlingsfest, andererseits symbolisiert es für das kurdische Volk den Tag der Befreiung. 612 vor Christus haben die Vorfahren der Kurden gegen den damaligen Tyrannen Dehaq erfolgreich Widerstand geleistet.

"Heute steht Newroz für den zeitgenössischen Widerstand", so Songül Karabulut vom Kurdistan National Kongress. Dass so viele Kurden nach wie vor Bilder des in der Türkei inhaftierten Vorsitzenden Öcalan hochhalten und ihn auf Flaggen zeigen, findet sie völlig logisch: "Er ist der Vertreter des kurdischen Volkes. Er war derjenige, der den Kurden wieder ein Selbstverständnis gegeben hat. Ohne ihn würden die Kurden in der Türkei und den anderen Regionen Syriens, Iraks und Irans geleugnet werden."

Auf der Bühne begrüßt Moderatorin Dilan die Kurden in der Rheinaue. Bevor das Programm beginnt, gedenken sie der im Kampf gegen den IS Gefallenen. Viele heben die Hand, Zeige- und Mittelfinger zum Victoryzeichen geformt.

Unter den Rednern auf der Bühne sind neben dem Außenminister des Kantons Cizir, Ebdulkerim Omer, auch weitere kurdische Politiker aus der Türkei, dem Irak und Syrien. Musik vom Bremer Kinderchor. der Sängerin Sahturna, die auf Türkisch und Kurdisch singt, und Yelda Abbasi aus dem Iran lockern das Fest auf.

Newrozfest in Bonn: Fahnenmeer mit dem Konterfei Öcalans | GA-Bonn - Lesen Sie mehr auf:
http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/bonn/bonn-zentrum/Fahnenmeer-mit-dem-Konterfei-Oecalans-article1594860.html#plx1962694722