Berliner Zeitung, 27.03.2015

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Der Konflikt zwischen Teheran und Riad droht sich auszuweiten

Sanaa/Teheran/Riad – Die saudische Militärkoalition weitet ihre Luftangriffe gegen die schiitische Huthi-Milizen aus. Mehr als zehn Länger beteiligen sich laut dem saudi-arabischen Botschafter an der Aktion. Frank-Walter Steinmeier warnt vor einem Stellvertreterkrieg.

Die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition hat – ungeachtet iranischer und russischer Warnungen – ihre Angriffe auf Ziele der schiitischen Huthi-Miliz im Jemen ausgeweitet. Kampfflugzeuge griffen nach Berichten von Einwohnern militärische Einrichtungen in der von den Huthis kontrollierten Hauptstadt Sanaa an, darunter ein Raketenlager. Auch in Saada, der nördlichen Heimatprovinz der Rebellen, seien Ziele beschossen worden, sowie der von den Rebellen kontrollierte Militärstützpunkt Al-Tarik in der drittgrößten Stadt Taes im Südwesten des Landes. Seit dem Beginn der Luftangriffe wurden in Sanaa mindestens 39 Zivilisten getötet.

Der saudi-arabische Botschafter in den USA, Adel al-Dschubeir, sprach von einer „Koalition von mehr als zehn Ländern“, die sich an dem Einsatz beteiligten. Nach Informationen des Senders Al-Arabija hat Saudi-Arabien 150 000 Soldaten und hundert Kampfflugzeuge mobilisiert. Die Vereinigten Arabischen Emirate stellen demnach 30 Kampfflugzeuge, Bahrain und Kuwait jeweils 15 Kampfjets, zehn weitere kommen aus Katar. Am Freitag erklärte auch Marokko, die Intervention politisch und militärisch zu unterstützen. Russland hat wie Iran ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert. Auch China mahnte eine friedliche Lösung des Konflikts an.

Der jemenitische Außenminister Rijad Jasin sagte im TV-Sender Al-Arabija, er rechne mit dem Ende der Intervention in wenigen Tagen. Der saudi-arabische General Ahmed Asseri erklärte, es gebe keine Pläne für den Einsatz von Bodentruppen, schloss ihn aber auch nicht aus.

Jemens Präsident Abd-Rabbu Mansur Hadi wurde nach jemenitischen Angaben noch am Freitag im ägyptischen Scharm El-Scheich erwartet, um am Gipfel der Arabischen Liga teilzunehmen. Er hatte internationale Hilfen gegen die Huthi-Rebellen gefordert, nachdem sich die militärische Lage der Regierungstruppen und loyalen Stammeskrieger weiter verschlechtert hatte. Die Huthi kontrollieren den überwiegenden Teil des Jemen. Sie erhalten mutmaßlich Rückendeckung aus Teheran.

Die USA leisten der Militärallianz logistische und geheimdienstliche Hilfe. Das Weiße Haus äußerte sich besorgt über Berichte über iranische Waffenlieferungen in den Jemen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer Gefährdung der Atomverhandlungen mit dem Iran wegen des Jemen-Konflikts. Niemand könne ein Interesse an einer weiteren Eskalation oder gar an einem Saudi-arabisch-iranischen „Stellvertreterkrieg im Jemen“ haben, so Steinmeier. Er warf den Huthi-Rebellen vor, das vor einem Jahr unter UN-Vermittlung erzielte Friedensabkommen gebrochen zu haben. Die Bundesregierung hält die Luftangriffe Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten für vereinbar mit dem Völkerrecht. Der Sprecher des Außenministeriums, Martin Schäfer, sagte am Freitag in Berlin: „Wir haben keine Zweifel an der Legitimität.“ Es habe von der Regierung des Jemen in einer „außerordentlich bedrohlichen Situation“ eine Bitte an die Staatengemeinschaft gegeben. „Das ist nach den Regeln des Völkerrechts legitim, wenn auf die Bitte eines demokratisch gewählten Staatsoberhaupts Nothilfe gewährt wird.“ Zugleich betonte er: „Wir setzen darauf, dass diese militärische Intervention eine kurzfristige ist.“ Die Probleme des Jemen könnten weder durch Gewalt von innen noch von außen gelöst werden.
Das hochgerüstete Regionalmacht am Golf

Saudi-Arabien hat die stärkste Armee am Golf – auch dank Waffenlieferungen aus dem Westen, darunter aus Deutschland. Kein Land weltweit importiert so viele Rüstungsgüter. 2014 steigerten die Saudis ihre Ausgaben dafür um 54 Prozent. Nach Angaben des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) hat Riad 227 000 Mann unter Waffen.

Die USA, Großbritannien und Frankreich helfen auch bei der Ausbildung der Truppe: 75 000 Mann beim Heer, 13 500 bei der Marine, 20 000 bei der Luftwaffe. Dazu kommt eine Nationalgarde mit 100 000 Angehörigen plus 24 500 Paramilitärs. Die Nationalgarde bildet eine autonome Armee und wird auch für die innere Sicherheit eingesetzt. Sie verfügt über eine eigene Luftwaffe.

Der Luftwaffe stehen laut IISS 313 Kampfjets zur Verfügung, darunter F-15, Tornados und Eurofighter. Die Bodentruppen haben 600 schwere Panzer und 2000 gepanzerte Fahrzeuge und Truppentransporter. Für die Luftabwehr stehen unter anderem 16 Patriot-Batterien bereit. (dpa)

Mit dem Konflikt zwischen Riad und Teheran droht die Krise zu einem Stellvertreterkonflikt zu werden. Irans Präsident Hassan Ruhani hatte die „militärische Aggression“ Saudi-Arabiens verurteilt. Iran wirft Jemens Präsident Hadi vor, seine Weigerung, freiwillig zurückzutreten, habe die Krise eskalieren lassen.

Saudi-Arabien warf Teheran seinerseits „Aggression“ vor. Der saudische Botschafter in den USA, Adel al-Dschubeir sagte: „Die Iraner sind es, die sich in die Angelegenheiten der arabischen Länder einmischen, sei es im Libanon, in Syrien, im Irak, im Jemen.“ Riad habe Sorge, „dass der Iran auch in Saudi-Arabien Unruhen entfachen könnte“, sagt die Golf-Expertin Jane Kinninmont von der Londoner Denkfabrik Chatham House. Im Osten des Königreichs lebt eine große schiitische Minderheit, die nach Teheran blickt.
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Teheran bestreitet, die schiitischen Huthis mit Geld und Waffen zu versorgen. Die saudi-arabischen Luftangriffe spielen nach Ansicht des iranischen Außenministers Sarif den Dschihadisten in die Hände. Das Terrornetzwerk Al-Kaida ist einer der Gegner der Huthi-Rebellen. Auch die Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) bekämpft die Huthi-Miliz. Entschlossenheit zeigt dagegen auch Rebellen-Führer Abdulmalik al-Huthi. In einer TV-Ansprache drohte er: „Der Jemen wird der Friedhof der Angreifer sein.“

Durch Luftschläge allein könne die chaotische Lage im Jemen nicht unter Kontrolle gebracht werden, weil Riad ein starker Verbündeter im Land fehle, warnt Frederic Wehrey von der US-Denkfabrik Carnegie. Auch mit einer Bodeninvasion ließe sich ein Krieg kaum gewinnen. Firas Abi Ali vom Londoner Analyseinstitut IHS sieht das „große Risiko“, dass sich die Angriffe zu einer Intervention „ohne Ende“ entwickeln. Der Iran könnte sich gezwungen fühlen, seine mutmaßliche Unterstützung für die Huthis auszuweiten.