Neues Deutschland, 06.04.2015

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Syrische Soldaten helfen Palästinensern in Sicherheit

Nach Angriff von IS-Kämpfern: 400 Familien aus Jarmuk-Flüchtlingslager in Damaskus evakuiert / UN-Organisation fordert Zugang für humanitäre Hilfe

Berlin. Etwa 2000 Palästinenser sind aus dem weitgehend von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kontrollierten Flüchtlingslager Jarmuk im Süden der syrischen Hauptstadt Damaskus in Sicherheit gebracht worden. Anwar Abdel Hadi von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) sagte der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag, »etwa 400 Familien, also rund 2.000 Menschen« hätten das Camp am Freitag und Samstag über zwei abgesicherte Straßen in Richtung des von der syrischen Armee gehaltenen Nachbardistrikts Sahira verlassen können. Syrische Soldaten halfen demnach dabei, die Palästinenser in Sicherheit zu bringen.

IS-Kämpfer hatten Jarmuk am Mittwoch angegriffen. Der Angriff war zunächst von palästinensischen Milizen in Jarmuk zurückgeschlagen worden, doch eroberten die Dschihadisten seitdem den Großteil des Viertels, das aus einem palästinensischen Flüchtlingslager hervorgegangen ist. Der Stadtteil, in dem noch rund 19.000 der einst 160.000 Menschen leben, liegt nur sieben Kilometer vom Stadtzentrum von Damaskus entfernt.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, rund 90 Prozent von Jarmuk seien in der Hand der IS-Kämpfer. Mindestens 26 Menschen seien seit letztem Mittwoch bei den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Bürgerwehren und angreifenden Verbänden der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) getötet worden. Die rivalisierende Al-Nusra-Front beteilige sich nicht an den Kämpfen, widersetze sich der IS-Offensive aber auch nicht. Palästinenser hatten der Al-Nusra-Front vorgeworfen, das Eindringen der IS-Kämpfer nach Jarmuk erleichtert zu haben. Laut der Beobachtungsstelle wurden seit Mittwoch mindestens sechs Zivilisten und zwölf palästinensische Kämpfer getötet, wobei zwei angeblich enthauptet wurden.

Jarmuk ist bereits seit dem Sommer 2013 Schauplatz heftiger Kämpfe und praktisch vollständig durch die Armee abgeriegelt. Im Juni 2014 wurde die Blockade infolge einer Einigung zwischen den Kampfparteien etwas gelockert, doch seit Beginn der Kämpfe mit den Dschihadisten gelangen keinerlei Hilfslieferungen mehr in das Viertel. Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) forderte dringend Zugang für humanitäre Hilfe. Die Lage in dem Lager sei eine »Quelle universeller Schande«, erklärte die Organisation. Agenturen/nd