spiegel.de, 08.04.2015

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Prozess wegen Facebook-Post: Türkei wirft Korrespondentin Terrorpropaganda vor

Von Hasnain Kazim, Istanbul
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Arjan Zwart

Niederländische Korrespondentin Geerdink: "Und das soll Propaganda sein?"

Weil eine niederländische Journalistin Fotos von PKK-Anhängern auf Facebook postete, klagt die Türkei sie als Terrorhelferin an. Heute beginnt der Prozess, im Falle einer Verurteilung drohen ihr bis zu fünf Jahre Haft.

Was Recht ist und was Unrecht, unterliegt in der Türkei mitunter ungeahnten Schwankungen. Die Regierung sucht die Annäherung an die Kurden, führt sogar mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK einen Friedensdialog. Schließlich sind im Juni Wahlen, und man will die Kurden als Wähler gewinnen oder ihre Partei HDP doch zumindest als Koalitionspartner.

Und doch: Über Kurden und ihre Belange zu schreiben, kann eine heikle Angelegenheit sein. Das bekommt in diesen Tagen die niederländische Korrespondentin Frederike Geerdink zu spüren, die seit 2006 als freie Journalistin in der Türkei arbeitet und sich auf kurdische Themen spezialisiert hat. Seit einem Jahr lebt sie als einzige ausländische Korrespondentin in der kurdischen Metropole Diyarbakir in Südostanatolien, und schreibt unter anderem für "Het Parool" und den britischen "Independent".

Am heutigen Mittwoch beginnt in Diyarbakir ein Prozess gegen Geerdink. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr "Propaganda für eine terroristische Organisation" vor, ohne die PKK beim Namen zu nennen. Sie beruft sich dabei auf den Anti-Terror-Strafrechtsparagrafen, der in der Türkei schon häufiger missbraucht wurde, um missliebige Kritiker mundtot zu machen.

PKK-Chef vor dem Interview die Hand geschüttelt

Doch erstmals ist nun ein Auslandskorrespondent betroffen, jemand aus jener Berufsgruppe, der die Regierung in Ankara seit Jahren in zum Teil bizarrer Weise vorwirft, von ausländischen Mächten gesteuert zu sein, Spionage zu betreiben und einzig das Ziel zu verfolgen, der Türkei zu schaden.

Das vermeintliche Vergehen: Geerdink hat Fotos von Menschen gepostet, die PKK-Flaggen tragen. Sie hat, wie andere Journalisten auch, den PKK-Chef Cemil Bayik im nordirakischen Kandil-Gebirge interviewt; in diesem Zusammenhang entstand ein Foto, auf dem sie ihrem Gesprächspartner die Hand schüttelt und das veröffentlicht wurde. Und sie hat in ihren Artikeln die PKK gelegentlich als "Guerilla" und nicht als "Terrororganisation" bezeichnet.

"Und das soll Propaganda für eine Terrororganisation sein?" Geerdink lacht. Die Bilder von den Jungen mit PKK-Flaggen hat sie während ihrer Recherche über den Kampf um die syrische Grenzstadt Kobane gemacht, als PKK-Kämpfer über die Grenze strömten, um sich den Terroristen des "Islamischen Staates" entgegenzustellen. "Es kommt vor, dass man Menschen, mit denen man spricht, gelegentlich fotografiert", sagt sie. "Und üblicherweise schüttele ich Leuten, die ich interviewe, auch die Hand."

Absurde Vorwürfe gegen Auslandskorrespondenten

Was die einzelnen Formulierungen angehe, so stehe sie hinter jeder einzelnen davon. " Ich wähle meine Worte wohlüberlegt", sagt Geerdink. "Ich betreibe Journalismus, keine Propaganda. Aber einzelne Formulierungen aus dem Zusammenhang zu reißen und sie mir in einer Anklage vorzuhalten, ist absurd."

Was die Kurden in der Türkei angehe, so würde nur in Schwarz und Weiß gedacht: "Die einen halten die kurdische Bewegung für eine terroristische Angelegenheit, für Separatisten. Die anderen unterstützen die PKK und folgen ihr blind. Ich gehöre keiner Gruppe an", betont sie. "Ich kritisiere den türkischen Staat ebenso wie kurdische Politiker." Aber sie unterstütze das Recht der Kurden auf Selbstbestimmung. Die Türkei, merkt sie an, habe im Übrigen alle entsprechenden Uno-Verträge unterzeichnet. "Meine Aufgabe als Journalistin ist es, zu beobachten und zu beschreiben, wie die Kurden von ihrem Recht Gebrauch machen."

Offensichtlich passt das den Mächtigen in der Türkei nicht, weshalb Geerdink nun der Prozess gemacht wird. Völlig unerwartet durchsuchte eine Anti-Terror-Einheit Anfang Januar ihre Wohnung und nahm sie für mehrere Stunden zum Verhör mit - ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als der niederländische Außenminister Bert Koenders in Ankara weilte und sich von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erzählen ließ, es gebe "keine freiere Presse, weder in Europa noch sonst wo auf der Welt, als in der Türkei".

Im Februar erhob die Staatsanwaltschaft dann tatsächlich Anklage gegen Geerdink aufgrund dieser dürftigen Vorwürfe. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr bis zu fünf Jahre Haft. Ob es noch heute zu einer Entscheidung kommt oder das Verfahren sich lange hinzieht, ist ungewiss.

Die Journalistin hätte die Türkei verlassen und damit dem Prozess entgehen können. Aber dann, sagt sie, hätten ihre Gegner erreicht, was sie bewirken wollten: eine kritische ausländische Stimme zum Schweigen zu bringen. Und das, betont sie, käme für sie niemals infrage.