Der Standard, 09.04.2015

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Türkischer Präsident Erdogan schickt Schwiegersohn ins Rennen

Konzernchef Berat Albayrak wird bereits als kommender Wirtschaftsminister gehandelt

Ankara/Athen - Als die türkische Polizei an einem Dezembermorgen 2013 ausrückte, um drei Ministersöhne und vermögende Geschäftsmänner im Dunstkreis der Regierung festzunehmen, griff auch das Ehepaar Albayrak zum Telefon. Esra, die älteste Tochter des heutigen Präsidenten Tayyip Erdogan, und ihr Ehemann Berat instruierten Berats Sekretär, einen Papiershredder zu kaufen, den zweiten an diesem Tag: "Kauf einen guten, einen großen, beeil dich und bring ihn her", sagten sie laut in dem damals angeblich abgehörten Telefongespräch.

Nun steht Berat Albayraks Name auf der Kandidatenliste der Regierungspartei für die Parlamentswahlen in zwei Monaten. Erdogan schickt seinen Schwiegersohn ins Rennen.

Langes Ringen

Erst am späten Dienstagabend, lange nach dem offiziellen Abgabetermin bei der Wahlbehörde, gab die seit 2002 regierende konservativ-islamische AKP nach und nach die Namen ihrer Parlamentskandidaten bekannt. Während ihre Herausforderer - die sozialdemokratische Republikanische Volkspartei (CHP), die Partei der nationalistischen Bewegung (MHP) und die Demokratische Partei der Völker (HDP) der Kurden und anderer linksorientierter Politiker - ihre Listen vorgestellt hatten, war in der AKP noch gerungen worden.

Letztes Wort

Der Machtkampf in der türkischen Führungsspitze war Ende März wegen ebendieser Frage öffentlich geworden: Wer hat das letzte Wort bei der Vergabe der sicheren Kandidatenplätze fürs Parlament - Erdogan und seine Berater im Präsidentenpalast oder Regierungs- und Parteichef Ahmet Davutoglu, der sich auf Schwergewichte in der AKP wie Vizepremier Bülent Arinç und Parteisprecher Besir Atalay stützt?

Beide Seiten hatten am Ende Erfolge. Das Davutoglu-Lager verhinderte die Kandidatur des Sohns des Bürgermeisters von Ankara, Melih Gökçek, Erdogan setzte seinen Schwiegersohn durch. Der 45-jährige Albayrak, Chef des Çalik-Konzerns, gilt schon als möglicher Nachfolger von Ali Babacan, des Staatsministers für Wirtschaft, der einer Regel im Parteistatut wegen nicht mehr antreten kann. Ein anderer AKP-Politiker, der es nicht auf die Liste schaffte, erschoss sich in der Nacht zu Mittwoch in seinem Hotelzimmer in Ankara. (mab, DER STANDARD, 9.4.2015)