Der Standard, 10.04.2015

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Syrien: Flüchtlingslager Yarmuk entwickelt sich laut Ban zu "Todeslager"

UNO-Generalsekretär spricht von "tiefster Hölle" – Rotes Kreuz: Menschen brauchen sofort Hilfe

New York/Damaskus – Das von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) unter seine Kontrolle gebrachte Flüchtlingslager Yarmuk im Süden der syrischen Hauptstadt Damaskus entwickelt sich laut UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zu einem "Todeslager": "Im syrischen Horror ist das Flüchtlingslager Yarmuk die tiefste Hölle", sagte Ban in ungewöhnlich drastischen Worten am Donnerstag. "Ein Flüchtlingslager erinnert immer mehr an ein Todeslager."

Die rund 16.000 Menschen in dem Lager, darunter rund 3.500 Kinder, würden als menschliche Schutzschilde missbraucht, so Ban. Es sei eine humanitäre Katastrophe von epischem Ausmaß, die Situation in dem Lager müsse dringend stabilisiert werden. "Wir können nicht einfach dastehen und zusehen, wie sich ein Massaker ereignet. Wir dürfen die Menschen in Yarmuk nicht aufgeben."

Armee umstellte Lager

Die IS hat das am Rande von Damaskus liegende Lager in den vergangenen Tagen nahezu vollständig eingenommen. Die dort zurückgebliebenen Bewohner wurden von der Versorgung fast vollständig abgeschnitten. Die Armee hat das Lager umstellt.

In einem dringenden Appell forderte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) humanitäre Hilfe für das palästinensische Flüchtlingslager. Mit dem Ausbruch der neuesten Kämpfe habe sich die Lage weiter verschlechtert, erklärte das IKRK am Donnerstag. Die Menschen bräuchten sofort Hilfe. Sie litten seit Monaten an einem Mangel an Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung.

Die Menschen sind weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Nur sehr wenige Lieferungen könnten das Lager erreichen, sagte der Leiter der Hilfsorganisation Jafra Foundation, Wesam Sabaaneh, der Deutschen Presse-Agentur. Die syrische Regierung hatte die Blockade des Lagers 2013 begonnen, nachdem dort Rebellen Fuß gefasst hatten. Dutzende Menschen starben seitdem laut Menschenrechtsaktivisten an Hunger und Durst.

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kamen seit Ausbruch der Kämpfe zwischen IS-Extremisten und Palästinensern vor einer Woche 47 Menschen ums Leben. Demnach griff auch die syrische Luftwaffe das Lager erneut an. Flugzeuge hätten am Mittwochabend elf Fassbomben über Yarmuk abgeworfen, erklärte die Stelle am Donnerstag.

Palästinenser wollen mit Assad-Truppen kooperieren

Die Palästinenser wollen gemeinsam mit der syrischen Armee gegen die IS-Extremisten vorgehen. Es gebe eine "enge Koordination" zwischen den beiden Seiten, sagte der Gesandte der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Ahmad Majdalani, in Damaskus. Ziel sei es, die IS aus dem Lager zu vertreiben. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas hatte Majdalani zu Gesprächen nach Damaskus entsandt. (APA, 10.4.2015)