dw.de, 18.04.2015

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Kommentar: Türkei auf Atomeinstieg fixiert

Die Türkei plant bis 2030 den Bau von drei Atomkraftwerken. Der Baubeginn des ersten der heftig umstrittenen Projekte am Mittelmeer beweist die Unvernunft der Entscheider in Ankara, meint Baha Güngör.

Die Türkei ist gänzlich auf den Atomeinstieg fixiert. Was auch an Argumenten dagegen gesagt oder geschrieben worden ist, es wird kategorisch zurückgewiesen. Der Grundstein für das erste Kernkraftwerk in Anatolien ist kürzlich gelegt. Es wird planmäßig 2020 das Land mit Nuklearenergie versorgen. Zwei weitere Anlagen sind auch schon längst beschlossene Sache, um den Energiebedarf des Landes größtenteils aus Atomkraftwerken abzudecken - im Widerspruch zu jeglicher Vernunft.

Das erste AKW in Akkuyu im Süden des Landes wird von Russland gebaut, das nächste in Sinop an der Schwarzmeerküste im Norden Anatoliens bauen die Japaner. Ein weiterer AKW-Auftrag, dessen Ort noch unbekannt ist, geht ebenfalls an Japan. Russland und Japan sind aber Länder, deren Referenzen in der Kraftwerkstechnik beängstigende Negativnoten aufweisen: Die Nuklearkatastrophen von Tschernobyl zu sowjetischer Zeit oder von Fukushima vor drei Jahren sind längst nicht vergessen. Und die Folgeschäden werden die internationale Öffentlichkeit noch sehr lange in Atem halten.

Warum verlässt die Türkei die Route der Vernunft und baut nicht auf Sonne, Wind und das reichlich vorhandene Wasser in Anatolien? Warum begibt sich das bislang an zeitgenössischen Errungenschaften Europas orientierte Land auf das Niveau von Schwellenländern und setzt auf Atomkraft als Energiequelle für die Fortentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft?

Die Befürworter der Atomkraft in der Türkei verweisen auf den steigenden Energiebedarf: Atomkraft sei sauber, die Nuklearanlagen sicher und wer Radioaktivität fürchte, solle sich künftig auch nicht mehr röntgen lassen, sagen prominente Experten auf Anfragen von Journalisten. Aber die 20.000 Toten beim schweren Erdbeben von 1999 sind der letzte grausame Beweis auch dafür, dass die anatolische Erde nahezu flächendeckend gefährdet ist.

Auf alternative Energien setzen

Es ist zudem eine Tatsache, dass durch Sonnen-, Wind- und Wasserkraft die dreifache Menge des Energiebedarfs von heute viel günstiger und ohne Gefahr für Umwelt produziert werden könnte.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass die Türkei rund 60 Prozent ihres Erdgasbedarfs und rund 30 Prozent ihres Kohlebedarfs aus Russland abdeckt. Nicht zuletzt kommen auch rund acht Prozent der türkischen Ölimporte aus Russland. Wie sinnvoll ist es, sich derart in die energetische Abhängigkeit von Russland zu begeben und sich so einem unberechenbaren Regime auszuliefern?

Autorin/Autor Baha Güngör